Ob Streifen, Punkte, Blasen oder Kreise: Muster sind nicht nur schön anzusehen – sie können auch sehr praktisch sein. In der Tierwelt beispielsweise dienen Fellmuster der Tarnung. Doch auch in der Physik treten Muster auf. Diese Texturen haben viele spannende Eigenschaften und Anwendungen. Man findet sie unter anderem in Festkörpern. Ihre Schlüsselcharakteristiken und die zugrunde liegenden mikroskopischen Wechselwirkungen lassen sich zum Beispiel an magnetischen Materialien untersuchen.
Bestimmte Schlüsselcharakteristiken von Texturen – beispielsweise die Zahl ihrer „Wirbel“ – bleiben unverändert, wenn man die gemusterten Objekte langsam verformt. Ähnlich zu einem Haarwirbel auf einem Tennisball kann man diese Wirbel, egal wie man die Haare kämmt, nie ganz entfernen, nur verschieben. Solche unter langsamen Deformationen unveränderlichen Eigenschaften bezeichnet man ganz allgemein als die Topologie eines physikalischen Systems.
Topologie als mathematische Disziplin spielt in vielen Bereichen der Physik eine wichtige Rolle (siehe „Topologische Quantenma-terialien“ auf Seite 77). Oft werden bestimmte magnetische Wirbel, Skyrmionen, als Beispiel für eine wichtige Topologie genannt. Ursache für topologische Texturen wie Skyrmionen sind Wechselwirkungen, die dafür sorgen, dass sich die magnetischen Momente der Atome in einem Material gegeneinander verkippen.
In Ferromagneten sorgt die dominierende Wechselwirkung dafür, dass die magnetischen Momente dazu streben, sich in die gleiche Richtung auszurichten. Auf der Nano- und Mikroskala bilden sich zusätzlich magnetische Domänen, die durch schmale Zwischenbereiche, Domänenwände, voneinander getrennt sind. Ändert man nun Eigenschaften des Materials wie dessen Dicke oder legt ein Magnetfeld an, so verändern sich die magnetischen Domänen und Domänenwände in Form und Größe. Tatsächlich entstehen in allen magnetischen Materialien solche Domänen – oder allgemeiner magnetische Texturen –, sodass die durch die magnetischen Momente gespeicherte Energie einen möglichst geringen Wert einnimmt. So können in einigen Materialen beispielsweise periodische magnetische Anordnungen entstehen.
Aus der Kombination von magnetischen Domänen und periodischen magnetischen Strukturen können topologische Texturen entstehen, also solche, die eine der zuvor genannten unveränderlichen Eigenschaften wie Wirbel beinhalten. Neben Skyrmionen können auch Texturen mit ungewöhnlichen Namen wie Meronen und Hopfionen auftreten, welche ebenfalls äußerst robust sind. Sind solche wirbelartigen Texturen räumlich kompakt, verhalten sie sich oft wie Teilchen, sind also beispielsweise stabil und können sich bewegen.

Bewegung in topologischen Texturen
Topologische magnetische Texturen zeigen interessante Wechselwirkungen mit elektrischen Strömen. Das liegt daran, dass Elektronen neben ihrer elektrischen Ladung aufgrund ihres Spins auch ein magnetisches Moment besitzen. Bewegt sich ein Elektron durch ein Material, so beeinflussen sich Spin und magnetische Textur gegenseitig. Das Elektron richtet seine Spinorientierung entlang der magnetischen Textur am jeweiligen Ort aus, an dem es sich befindet. Durch die Richtungsänderungen des Elektronenspins wirken wiederum Kräfte auf die magnetische Textur, sodass sich diese verändern kann.
Dieses komplizierte Wechselspiel lässt sich erstaunlich einfach physikalisch beschreiben – mithilfe emergenter zeit- sowie ortsabhängiger magnetischer und elektrischer Felder. Enthält die magnetische Textur Skyrmionen, so spürt das Elektron diese emergenten Felder und wird dadurch von seiner ursprünglichen Bewegungsbahn abgelenkt. Diese Ablenkung der Elektronen lässt sich in der Form von Hall-Spannungen beobachten. Die Größe der Hall-Spannung hängt von der Anzahl der Wirbel pro Fläche ab und damit von den topologischen Eigenschaften. Gleichzeitig erlaubt die Richtungsänderung der Elektronen, die magnetischen Texturen zu verschieben.
Spinwellen in topologischen Texturen
Die Kopplung zwischen Elektronen und den magnetischen Texturen ist außergewöhnlich effizient und erlaubt es, die magnetischen Texturen schon bei winzigen Stromdichten zu bewegen, was man ebenfalls sehr genau messen kann.
Die Dynamik der magnetischen Momente in magnetisch geordneten Materialien hat einen wellenartigen Charakter, der auch als Spinwelle bezeichnet wird. Dabei kreiselt sozusagen jedes magnetische Moment um seine Ruhelage. Da sich die Ruhelage der magnetischen Momente in einer topologischen Textur von einem magnetischen Moment zum nächsten dreht, ändert sich die Richtung, in die sich die Spinwelle räumlich ausbreitet.
Die Bewegung einer Spinwelle, die sich über ein Skyrmion hinweg ausbreitet, kann nun so verstanden werden, als ob die Spinwelle an ein fiktives magnetisches Feld koppelt, welches die Topologie repräsentiert – ähnlich zum Elektron beim Skyrmion induzierten Hall-Effekt.
Enthält die magnetische Textur Wirbel, die sich nicht einfach herauskämmen lassen, so läuft die Spinwelle auf einem Bogen. Betrachtet man weiterhin eine periodische Anordnung von Skyrmionen, so überlagern sich diese Kreisbahnen der Spinwellen. Während sich die Wellen im Inneren des Materials gegeneinander aufheben, bleiben am Rand des Materials Wellen übrig, die sich zu einem Spinstrom entlang des Rands des Materials verstärken. Mit den Spinwellen am Rand von Materialen mit Skyrmiongittern ist deshalb eine effiziente, energiegünstige und richtungsabhängige Informationsausbreitung verbunden, die sich in Zukunft in technologischen Anwendungen nutzen lässt.
Magnetische Hardware
Aufgrund ihrer besonderen, zuvor beschriebenen Eigenschaften eigenen sich topologische magnetische Texturen sehr gut als mögliche Hardwarekomponenten im Bereich der Informationsspeicherung und Informationsverarbeitung. In den letzten Jahren wurden auch Anwendungen von magnetischen Mustern im Bereich des Computings vorgeschlagen.
Beim neuromorphen Computing etwa handelt es sich um eine Technologie, die von der Funktionsweise unseres Gehirns inspiriert ist. Die Hardware künstlicher neuronaler Netze könnte künftig aus magnetischen Bauteilen bestehen, die besonders kompakt und energieeffizient sind. Ebenfalls nutzt man beim physikalischen Reservoir-Computing die natürliche komplexe Dynamik eines physikalischen Systems, die durch eingehende Signale erzeugt wird, um komplexe Aufgaben auf einfache Aufgaben herunterzubrechen.

Magnetische Systeme erfüllen auf ideale Weise alle Kriterien, die ein Reservoir benötigt (Nichtlinearität, Komplexität und Kurzzeitgedächtnis) um seine Aufgabe zu erfüllen, da sie von Natur aus nichtlinear und komplex auf externe Stimuli reagieren. Auch ihre Fähigkeit, Informationen für eine begrenzte Zeit zu speichern – eine Eigenschaft, die als „fading memory“ (engl.: verblassende Erinnerung) bekannt ist – ergibt sich aus im Material vorhandenen Dämpfungsmechanismen. Dank ihrer Kompatibilität mit der derzeit verwendeten Hardwaretechnologie lassen sich magnetische Reservoirs zudem im Prinzip nahtlos in moderne elektronische Geräte integrieren.
Mit magnetischen Materialien lassen sich auf diese Weise also Klassifizierungsaufgaben lösen, Muster erkennen und fortsetzen und so künftige Ereignisse vorhersagen.