Die kosmischen Teilchen kommen mit extremen Energien auf der Erde an, millionenfach größer, als sie an irdischen Teilchenbeschleunigern erreicht werden können. Wenn sie auf die Atmosphäre treffen, interagieren sie mit den Luftteilchen und erzeugen dabei kaskadenartig weitere Teilchen. Besonders bei großen Energien können diese sogenannten Luftschauer bis zum Erdboden vordringen und dort gemessen werden. Empfindliche Kameras können sogar die Fluoreszenz-Leuchtspuren messen, die die Teilchen in der Atmosphäre hinterlassen. Schauerteilchen, die sich in der Atmosphäre schneller bewegen als Licht, erzeugen außerdem bläuliches Tscherenkowlicht, das mit Teleskopen erfasst werden kann. Schließlich wird durch die Ablenkung von Schauerteilchen im Erdmagnetfeld Radiostrahlung emittiert, messbar mit Antennen und passenden Empfängern. Die Lichtgeschwindigkeit in der Luft ist bis zu ca. 0,3 Promille niedriger als im Vakuum. Die Teilchen fliegen aufgrund ihrer hohen Energie aber praktisch mit Vakuumlichtgeschwindigkeit. Kosmische Schauer, die durch geladene Teilchen ausgelöst werden, geben uns allerdings nur eingeschränkte Informationen über die Herkunft der elektrisch geladenen kosmischen Teilchen. Denn diese werden auf dem Weg zur Erde in galaktischen und intergalaktischen Magnetfeldern abgelenkt. Die Richtung, in der sie auftreffen, zeigt demnach nicht mehr die Himmelsgegend an, aus der sie kommen. Photonen und Neutrinos hingegen bleiben als neutrale Teilchen von Magnetfeldern unbeeinflusst und breiten sich geradlinig aus. Aus ihren Flugrichtungen lassen sich daher ihre Herkunftsorte am Himmel ermitteln. Mit dem Neutrinoteleskop IceCube am Südpol wurden inzwischen erste Quellen hochenergetischer Neutrinos identifiziert. Die nächsten Schritte sind eine Erweiterung von IceCube und der Bau des Neutrinoteleskops KM3NeT im Mittelmeer. Die Astronomie mit hochenergetischen Photonen (Gammastrahlung) ist mit den Experimenten H.E.S.S., MAGIC und VERITAS bereits als Zweig der Astrophysik etabliert. Diese Experimente messen die Tscherenkowstrahlung entlang der Luftschauer. Sie werden durch hochgelegene Bodendetektoren wie HAWC und LHAASO ergänzt, die die Schauerteilchen direkt nachweisen können.
Die Ergebnisse der Gammastrahlungsastronomie der vergangenen zwanzig Jahre haben unser Bild des Hochenergie-Universums revolutioniert. Hunderte von Quellen wurden identifiziert, darunter Supernova-Explosionswolken, Neutronensterne und Schwarze Löcher. Zurzeit wird ein neues Observatorium, das Cherenkov Telescope Array (CTA), mit Dutzenden von Tscherenkowteleskopen verschiedener Größen auf der Nord- und der Südhalbkugel vorbereitet.
Auch bei der Klärung des Rätsels der Dunklen Materie, die den Materieinhalt unseres Universums dominiert, aber sich nicht direkt durch Licht zu erkennen gibt, spielt die Astroteilchenphysik eine zentrale Rolle. Sollte die Dunkle Materie aus bisher unbekannten Teilchen bestehen, so müssten diese sich in Gravitationszentren im Weltall ansammeln, dort annihilieren und damit sowohl Gammastrahlung als auch Neutrinos aussenden. Die hohe Sensitivität der Instrumente der nächsten Generation macht entsprechende Suchen sehr vielversprechend.
Das zwischen 2004 und 2008 in Betrieb genommene Pierre-Auger-Observatorium ist das bisher größte Detektorfeld zur Messung der kosmischen Strahlung. Sein Ziel: Die Zusammensetzung und Herkunft kosmischer Strahlen bei höchsten Energien zu entschlüsseln. Das Observatorium aus Bodendetektoren, Fluoreszenzdetektoren und Radioempfängern deckt ein Areal von 3000 km2 in einer Grassteppe in Argentinien ab.
Multimessenger-Astronomie
Schon lange hat man erkannt, dass die verschiedenen Ansätze der Astroteilchenphysik sich gegenseitig ergänzen. Dies hat zur „Multimessenger-Astronomie“ geführt, in der alle kosmischen Boten – oft in zeitgleichen Beobachtungen – kombiniert werden. Neben Observatorien für geladene kosmische Strahlung, Neutrinos und Gammastrahlung haben sich nach dem erstmaligen Nachweis von Gravitationswellen auch die Gravitationswellendetektoren ins weltweite Multimessenger-Netzwerk eingefügt. Beteiligt sind auch Observatorien der traditionellen Astrophysik in allen Wellenlängenbereichen, vom Radiobereich über das sichtbare Licht bis hin zur Röntgenstrahlung.