WIRKUNG
Die Erde im Blick

Schlechte Luft

Menschen verunreinigen die Luft, die sie zum Atmen brauchen, unter anderem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Industrie und Verkehr und durch Emissionen der modernen Agrarindustrie. Dies stellt eine enorme Gesundheitsgefahr dar.

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Seit sich etwa vier Millionen Jäger und Sammler während der neolithischen Revolution in ersten Siedlungen einfanden, wurde die benötigte Energie zunächst praktisch ausschließlich durch die Verbrennung von Biokraftstoffen (überwiegend Holz) sowie später durch Wind- und Wasserkraft erzeugt. Zur Zeit der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert war die Weltbevölkerung auf etwa eine Milliarde angewachsen. Die Verbrennung fossiler Energieträger (zunächst Kohle und Öl) zur Energiebereitstellung wurde im großen Stil betrieben. Inzwischen zählt die Weltbevölkerung mehr als acht Milliarden Menschen. Sie stößt Schadstoffe in einem noch nie da gewesenen Ausmaß in die Luft aus. Durch die Ausbreitung der Schadstoffe hat sich die Umweltverschmutzung von einem lokalen zu einem globalen Phänomen entwickelt, und die Welt ist in eine neue geologische Epoche eingetreten: das Anthropozän (Seite 118).

Die Bedrohung der menschlichen Gesundheit durch Luftverschmutzung ist spätestens seit der Zeit von Hippocrates um 400 v. Chr. bekannt. Auch die römischen Geschichtsschreiber Seneca und Frontinus beschrieben die angenommenen gesundheitlichen Auswirkungen des Rauchs. In Zentralasien und China wurde während der Song-Dynastie (947–1279) die Verbrennung von Kohle als Quelle von Aerosolen und gasförmigen Schadstoffen identifiziert. Während der Herrschaft von Edward I. in England verbot der „Smoke Abatement Act“ im Jahr 1273 die Verwendung von Kohle, da sie für die menschliche Gesundheit schädlich sei. Im Jahr 1661 beschrieb der englische Architekt John Evelyn die Luftverschmutzung in London und ihre Ursachen im Parlament und vor dem König und veröffentlichte diese Darstellung in seinem Essay „Fumifugium“. Luftverschmutzung durch menschliche Aktivitäten ist also kein neues Phänomen, aber aufgrund der starken Urbanisierung treffen ihre Auswirkungen heute einen viel größeren Teil der Bevölkerung.

Schädliche Gase (z. B. Stick- und Schwefeloxide, Ozon, Kohlenmonoxid, Ammoniak, Kohlenwasserstoffe) und Aerosole (auch als Feinstaub) entstehen in Ballungsgebieten durch Verbrennung (Fahrzeuge, Industrie, Kraftwerke, usw.). Auch Emissionen der Landwirtschaft und von Böden und Pflanzen können eine Rolle spielen. Weitere Quellen mit zunehmender Bedeutung sind Waldbrände oder die Verbrennung von Biomasse und Abfällen verschiedener Art. Vulkanausbrüche treten glücklicherweise selten auf, denn sie sind ebenfalls eine Quelle schädlicher Gase und Aerosole.

Gesundheitsgefahren durch Luftverschmutzung

Menschen, Tiere und Pflanzen atmen Luft. Auf geringste Beimengungen von Ozon, Schwefeldioxid, Stickoxiden oder Feinstaub reagieren sie höchst empfindlich. Bereits in Volumenanteilen von wenigen Milliardsteln beeinträchtigen diese Substanzen die Lebensfunktionen. Neben den oben beschriebenen Quellen und Auswirkungen der Luftverschmutzung im Freien hat auch die Luftverschmutzung in Innenräumen bedeutende negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tragen beide erheblich zur weltweiten Krankheitslast bei. Die Luftverschmutzung im Freien ist für etwa 4,2 Millionen Todesfälle pro Jahr, die Luftverschmutzung in Innenräumen für etwa 3,8 Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich, und dies hauptsächlich in Regionen mit niedrigem Einkommen. Ursachen sind in erster Linie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und erst in zweiter Linie Lungenerkrankungen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Verlust an Lebenszeit von etwa drei Jahren und ist vergleichbar mit der durchschnittlichen Lebensverkürzung durch Rauchen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung. Während Rauchen aber eine individuelle Entscheidung ist, können wir der Luftverschmutzung kaum entgehen. Ihre Folgen betreffen alle: Kinder, Ältere, Gesunde und Kranke.

Die Daten identifizieren Feinstaub als eine der bedeutendsten Gesundheitsgefahren für Menschen. Toxische Spurengase spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Zahl der Opfer allein durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung liegt zwei- bis dreimal höher als die Anzahl der Menschen, die jährlich durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen.

Smog in London und Los Angeles

Die Luftverschmutzung durch die genannten Gase geht häufig einher mit enormer Aerosolbildung, die sich selbst bei niedriger Luftfeuchte als trockener Nebel bemerkbar macht (engl. fog). Historisch war die Hauptquelle der Luftverschmutzung der Rauch (engl. smoke) der Schornsteine. Daher rührt das Kunstwort Smog für dieses Phänomen. Besonders üble Smog-Episoden forderten in den 1950er-Jahren vor allem in London Zehntausende von Toten, daher die Bezeichnung London-Smog für durch Rauch (aus Kohleverbrennung) verursachten Smog. Die Massenmotorisierung bewirkte eine weitere Art von Smog, die nach einer der am stärksten betroffenen Städte – Los Angeles – benannt wurde. Die ersten bekannten Episoden von Los-Angeles-Smog ereigneten sich im Sommer 1943. Los-Angeles-Smog (auch „photochemischer“ oder „Sommersmog“ genannt) entsteht durch chemische Reaktionen von Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen in der Atmosphäre. In den frühen 1950er-Jahren zeigte Arie Jan Haagen-Smit, dass Autoabgase, die aus Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden (NOx) bestehen, eine dominierende Rolle bei der Erzeugung von photochemischem Smog spielen.

Feinstaub kommt aus zwei Typen von Quellen: Einerseits aus der direkten Emission von Partikeln durch Verbrennung, Abrieb (z. B. von Bremsbelägen und Reifen) oder Staubaufwirbelung. Dadurch entstehen überwiegend große Teilchen (mit Abmessungen im Bereich von Mikrometern bis Bruchteile eines Millimeters), die man landläufig als Staub bezeichnen würde. Diese Teilchen fallen aufgrund ihrer Größe rasch zu Boden. Andererseits entstehen Partikel in der Atmosphäre aus gasförmigen Vorläufern wie Schwefeldioxid, Kohlenwasserstoffen oder Ammoniak als Ergebnis der Verwendung von überwiegend künstlichen Düngemitteln viel kleinere Teilchen mit Durchmessern von weniger als zehn oder zweieinhalb Mikrometer (PM10 oder PM2,5). Diese sind gesundheitlich bedenklicher, weil sie tiefer in die Atemwege eindringen können, dabei die Lunge schädigen und auch in den Blutkreislauf gelangen.

Mittlerweile ist Smog ein globales Problem geworden. Erste Anzeichen zeigten sich in den 1950er-Jahren, als im Frühjahr in der Arktis weiträumig Dunst („Arctic Haze“) beobachtet wurde, der durch den Transport von Schadstoffen aus mittleren Breiten verursacht wird. Weitere Beispiele sind der Transport der Emissionen kanadischer Waldbrände im Juni 2023 an die Ostküste und den Mittleren Westen der USA. Diese Smog-Wolke schränkte den Flugverkehr auf den großen Flughäfen ein und führte dazu, dass die Menschen Atemmasken trugen, um ihre Belastung durch die giftigen Schadstoffe zu verringern.

Messung von Luftverschmutzung

Quantitative und systematische Messungen von Bestandteilen der Luftverschmutzung datieren in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, als der Chemiker Christian F. Schönbein ein kolorimetrisches Verfahren zur Bestimmung der Konzentration des 1839 von ihm entdeckten Ozons in Umgebungsluft entwickelte. Heute wird das Ausmaß der Luftverschmutzung in nationalen und globalen Messnetzen kontinuierlich überwacht. Es dominieren physikalische und physiko-chemische Methoden, etwa Kurzweg-Absorptionsspektroskopie für die Ozonmessung, Gasphasen-Chemolumineszenz für die Bestimmung der Stickoxidkonzentration oder optische Verfahren zur Bestimmung von Feinstaub. Neben in-situ-Messungen gewinnen Satellitenbeobachtungen (Seite 249) an Bedeutung. Sie erlauben heute bereits Messungen mit einer Auflösung von wenigen Kilometern und könnten in Zukunft bodengebundene Messungen zum großen Teil ersetzen.

Feinstaubkonzentration im Winter (links), Ozonkonzentration im Sommer (rechts). Abrufbar sind solche Karten auf den Webseiten des Umweltbundesamts, das die Daten der Messnetze des Bundes und der Länder aufbereitet.

Maßnahmen gegen Luftverschmutzung

Luftverschmutzung ist eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu mündeten in einer nationalen und internationalen evidenzbasierten Umweltpolitik. So führte die rasante Zunahme der Luftverschmutzung seit den 1950er-Jahren zu nationalen Gesetzen zur Kontrolle der Freisetzung von Luftschadstoffen. Der grenzüberschreitende Charakter der Luftverschmutzung führt zum völkerrechtlichen Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (LRTAP aus dem englischen Namen). Ziel ist es, in internationaler Zusammenarbeit geeignete nationale Politiken zu entwickeln und durch Informationsaustausch, Konsultation, Forschung und Überwachung die nationalen Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu koordinieren.

Durch diese nationalen und internationalen Abkommen verringerte sich die Luftverschmutzung zwar vor allem in Teilen Europas, Nordamerikas und Teilen Asiens wie neuerdings auch in China. Trotz dieser Bemühungen hat aber die Industrialisierung Südamerikas, Asiens und Afrikas dazu geführt, dass Teile dieser Regionen eine zuvor nicht gekannte Luftverschmutzung aufweisen. Die Zunahme der Verbrennung von Biomasse und von Waldbränden, die zum Teil auf menschliche Aktivitäten und indirekt auf den Klimawandel (siehe auch „Globale Klimaentwicklung“ auf Seite 120) zurückzuführen sind, hat zu einer zusätzlichen Quelle der Luftverschmutzung geführt. Die Bekämpfung der Luftverschmutzung und die Verbesserung der Luftqualität stellen also weiterhin eine Herausforderung für das 21. Jahrhundert dar.

John P. Burrows, Justus Notholt, Ulrich Platt und Christian von Savigny