In Deutschland unterziehen sich pro Jahr etwa eine halbe Million Krebskranke einer Strahlentherapie – das sind nahezu zwei Drittel aller Tumorpatient:innen. Bei etwa drei Viertel ist das Ziel die Heilung, in den verbleibenden Fällen ist die Erkrankung so weit fortgeschritten, dass man lediglich von einer Linderung der Symptome ausgehen kann.
Die Strahlentherapie wirkt aufgrund der ionisierenden Eigenschaft hochenergetischer Strahlung: Beim Durchgang durch Gewebe werden Elektronen von den Atomen getrennt und auch Molekülbindungen aufgebrochen. Beides schädigt die Tumorzellen: entweder direkt oder indirekt durch die Entstehung von reaktionsfreudigen Radikalmolekülen, welche entsprechende Schäden hervorrufen. Die Schäden begrenzen die Zellteilung, welche bei Tumorzellen unkontrolliert geschieht. Das Wachstum des Tumors wird unterbrochen, und im Idealfall kann das Immunsystem des Körpers ihn wieder bekämpfen.
Die Geschichte der Strahlentherapie
Bereits kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Wilhelm Konrad Röntgen im November 1895 wurden erstmals Tumoren damit bestrahlt. Auch die Entdeckung der Radioaktivität im Februar 1896 durch Henri Becquerel kam schnell an die Patient:innen in Form von Strahlern (meist Radium), die auf den Körper aufgebracht wurden. Diese ersten Behandlungen waren teilweise erstaunlich erfolgreich. Allerdings zeigten sich auch im gesunden Gewebe erhebliche Schädigungen, insbesondere in der Haut. Das lag vor allem daran, dass die damals verwendeten Strahlen nur eine geringe Energie (wenige 100 keV) hatten und deshalb nicht tief ins Gewebe eindringen konnten. Zudem bestanden anfangs kaum Möglichkeiten, die Strahlung nur auf den Tumor zu konzentrieren und das gesunde Gewebe zu schonen.
Diese sogenannte Konformation der Dosis auf das Zielgebiet ist das Ziel nahezu aller physikalisch-technischen Entwicklungen in der Strahlentherapie. Nur wenn das Normalgewebe ausreichend geschützt wird, kann man die Dosis erhöhen und so den Tumor besser bekämpfen. Der erste Schritt war historisch die Nutzung höherer Strahlenenergien: die Entwicklung kompakter Linearbeschleuniger für Elektronen (Linacs, von engl.: linear accelerator) ermöglichte Elektronenenergien von 10 MeV und darüber hinaus. Diese schnellen Elektronen werden in einem Metallkörper abgebremst, wodurch Röntgenstrahlung in Form von Bremsstrahlung entsteht. Damit war zunächst das Problem der geringen Eindringtiefe gelöst und Hautschäden konnten deutlich reduziert werden. Die Montage des Beschleunigers auf einem mechanischen Drehgestell (Gantry) erlaubt es außerdem, Strahlen aus unterschiedlichen Richtungen auf den Tumor zu richten. Durch den Einsatz metallischer Blendensysteme lassen sich die Strahlenfelder zudem individuell auf die Tumorform anpassen und das umliegende Gewebe noch besser schonen.

Durch die rasante Entwicklung sowohl der Bildgebung als auch der computertomografischen Verfahren und der zunehmenden Rechenleistung hielten ab etwa Mitte der 1980er-Jahre leistungsfähige Computersysteme für die Strahlentherapieplanung Einzug in die Kliniken. Für die computerbasierte Planung der Strahlentherapie werden kontrastreiche dreidimensionale Röntgentomografieaufnahmen (CT-Bilder) der Patient:innen genutzt. Aus den CT-Daten gewonnene, dreidimensionale Modelle beschreiben dabei die genaue Form und Lage des Tumorvolumens sowie der umliegenden gesunden Organe. Später kam noch die magnetische Kernspinresonanztomografie (MRT) für die Planung hinzu, die eine bessere Abgrenzung des Tumors von verschiedenen Weichteilgeweben erlaubt.
Ein weiterer Schritt hin zu erhöhter Dosiskonformation war um die Jahrtausendwende der Einsatz mathematischer Optimierungsverfahren: hierbei wird die Intensität der einzelnen Strahlenfelder so optimiert, dass erst ihre Überlagerung im Tumor zu der gewünschten Dosisverteilung führt. Diese sogenannte intensitätsmodulierte Strahlentherapie wird durch bewegliche, motorisch verfahrbare Kollimatoren am Linearbeschleuniger realisiert. Damit ließen sich erstmals komplex geformte Zielvolumina (z. B. konkave Tumorformationen) bestrahlen, was die Effektivität der Strahlentherapie erheblich verbessert hat.

Therapie mit Teilchen
Etwa zur gleichen Zeit wurden vermehrt auch Ionenstrahlen (z. B. die Kerne der Wasserstoffatome) eingesetzt. Diese waren bereits ab Mitte der 1950er-Jahre in den Laboren der Teilchenphysik verfügbar, etwa am Lawrence Berkeley Laboratory und dem Harvard Cyclotron Laboratory in den USA oder dem Svedberg Labor in Uppsala. Dort standen Teilchenbeschleuniger zur Verfügung, die Wasserstoffkerne (Protonen) auf Energien bis zu mehreren Hundert MeV beschleunigen konnten. Dies erfordert zwar aufwendige Beschleunigeranlagen, jedoch deponieren Protonen die Dosis in einer deutlich günstigeren Art und Weise: Röntgenstrahlung wird beim Eindringen in Materie exponentiell geschwächt, sodass die Dosis im Gewebe langsam abnimmt, aber prinzipiell unbegrenzt tief eindringen kann. Bei Protonen hingegen wird zunächst nur wenig Energie abgegeben, erst gegen Ende der Reichweite nimmt die Dosis stark zu. Dies führt zu einem Dosismaximum, das Bragg-Peak genannt wird. Die Lage dieses Dosismaximums lässt sich zudem durch Veränderung der Strahlenergie genau einstellen. Der große Vorteil der Protonenstrahlung ist, dass keinerlei Strahlung hinter dem Tumorvolumen verabreicht wird – die Protonen haben eine begrenze Eindringtiefe. Zudem lassen sich Protonen aufgrund ihrer Ladung durch magnetische Linsen auf dünne Strahlen fokussieren und magnetisch ablenken. Dieses Verfahren ermöglicht bereits durch einzelne oder wenige Strahlenbündel das Tumorvolumen mit einer hohen Dosis zu bestrahlen und gleichzeitig das Normalgewebe maximal zu schonen. Durch Verwendung schwererer Ionen, wie etwa Kohlenstoffionen, können die günstigen physikalischen Eigenschaften der Protonen noch mit der besonderen radiobiologischen Wirkung dieser Strahlen verknüpft werden. Diese Ionen werden als dicht ionisierende Strahlung bezeichnet, da sie örtlich begrenzt sehr viel mehr Energie auf das Gewebe übertragen. Kohlenstoffionen zeigen ihre besonderen Vorteile insbesondere bei Tumoren, die relativ widerstandsfähig gegenüber Röntgenstrahlen oder auch Protonen sind.
Allerdings sind für die Protonen- und noch mehr für die Ionenbeschleunigung große und aufwendige Beschleuniger erforderlich. Deshalb sind Protonen- und Ionentherapie weniger verbreitet als die klassische Strahlentherapie: Während weltweit einige Zehntausend klinische Linacs in Betrieb sind, existieren derzeit nur etwa 120 Anlagen zur Protonentherapie und 13 für schwerere Ionen, davon sieben in Japan, zwei in China und vier in Europa – eine davon steht in Heidelberg. Der Anteil insbesondere der Protonentherapiezentren wächst aufgrund der überzeugenden Therapieergebnisse und der sehr guten Verträglichkeit jedoch ständig.

Allerdings sind für die Protonen- und noch mehr für die Ionenbeschleunigung große und aufwendige Beschleuniger erforderlich. Deshalb sind Protonen- und Ionentherapie weniger verbreitet als die klassische Strahlentherapie: Während weltweit einige Zehntausend klinische Linacs in Betrieb sind, existieren derzeit nur etwa 120 Anlagen zur Protonentherapie und 13 für schwerere Ionen, davon sieben in Japan, zwei in China und vier in Europa – eine davon steht in Heidelberg. Der Anteil insbesondere der Protonentherapiezentren wächst aufgrund der überzeugenden Therapieergebnisse und der sehr guten Verträglichkeit jedoch ständig.
Während die räumliche Dosiskonformierung allmählich an ihre physikalischen Grenzen stößt, steht in der Entwicklung zunehmend die Anpassung an die zeitliche Veränderung des Tumorvolumens im Vordergrund. Durch den Einsatz der Bildgebung direkt vor und auch während der Therapie (bildgeführte Strahlentherapie, oder image guided radiotherapy – IGRT) ist es möglich, die Strahlenfelder an die jeweils im Moment der Bestrahlung tatsächlich vorliegenden anatomischen Verhältnisse im Patienten anzupassen (adaptive Therapie). Am weitesten fortgeschritten ist hier die Integration eines Linacs in einen MR-Tomografen (MR-Linac), welcher zum ersten Mal eine kontinuierliche Beobachtung des Tumors während der Behandlung ermöglicht. Damit kann die Bestrahlung prinzipiell in Echtzeit angepasst werden, was möglicherweise in naher Zukunft mit dem Einsatz modernster Computerverfahren zur automatisierten Bildverarbeitung und Dosisberechnung Realität wird (insbesondere mit Deep-Learning-Verfahren und künstlicher Intelligenz).
Neben diesen strahltechnisch getriebenen Methoden stehen derzeit auch ganz andere Verfahren im Fokus der Forschung: bei sogenannten FLASH-Bestrahlungen wird die Dosis innerhalb von Sekundenbruchteilen statt über mehrere Minuten verabreicht. Seit Langem ist bekannt, dass dies zu einer reduzierten Reaktion der Zellen führt – vor Kurzem wurde jedoch nachgewiesen, dass dies nur für gesunde Zellen gilt. Man geht deshalb derzeit davon aus, dass sich durch den Einsatz von FLASH gesundes Gewebe gezielt schonen lässt, ohne die Wirkung auf den Tumor zu reduzieren. Allerdings ist der biologische Mechanismus dahinter noch weitgehend unverstanden. Vermutlich spielt die veränderte Bildung der Radikale und – besonders der Sauerstoffradikale – im Tumor eine Rolle. Möglich ist außerdem, dass FLASH auch die Reaktion des Immunsystems auf bisher noch ungeklärte Weise beeinflusst. Es gibt Hinweise, dass durch Bestrahlung das Immunsystem derart aktiviert werden kann, dass es nach der Bestrahlung auch Tumorzellen außerhalb des Bestrahlungsfelds effektiv zerstören kann. Gelänge es, durch Medikamente oder FLASH die Reaktion des Immunsystems gezielt zu beeinflussen, wäre dies ein weiterer großer Schritt hin zu einer verbesserten Strahlentherapie.