Als erste nuklearmedizinische Therapieform gilt die Behandlung von bestimmten Krankheiten der Schilddrüse mit radioaktivem Jod, wie sie erstmals Ende der 1930er- und Anfang der 1940er-Jahren angewendet wurde. Das Prinzip: Jod wird im Körper im Wesentlichen von Schilddrüsenzellen aufgenommen. Zerfällt es dort, so schädigt die dabei entstehende radioaktive Strahlung die Erbinformation in den Zellen – und beseitigt pathologische Vergrößerungen der Schilddrüse.
Seit der Verwendung von radioaktivem Jod wurden auch zahlreiche weitere Substanzen bewertet und in den klinischen Alltag integriert. Der Umgang mit offenen Radioisotopen erfordert höchste Aufmerksamkeit im Bereich des Strahlenschutzes für Patient:innen, Mitarbeitende und die Bevölkerung und ist daher entsprechend stark reguliert. Insbesondere waren und sind die Entwicklungen der Nuklearmedizin freilich nie sequentiell, sondern folgen parallelen (und manchmal etwas verschlungenen) Pfaden.
Bildgebung mit Radioisotopen
Um mithilfe von Radioisotopen Bilder zu erzeugen, bekommen Patient:innen Radiopharmazeutika verabreicht. Diese Medikamente sind mit Radioisotopen versetzt, also Atomen, deren Kerne mit einer Halbwertszeit von wenigen Minuten bis Stunden zerfallen. Sie senden dabei Gammastrahlung mit einer Energie zwischen 100 und 400 keV aus. Gewonnen werden die Mutterisotope dieser Substanzen in nuklearen Forschungsreaktoren. In Reaktoren wie dem HFR in Petten in den Niederlanden oder in Zukunft dem FRM II in Garching werden solche Isotope für Diagnostik aber auch therapeutische Isotope produziert.
Das Kiloelektronenvolt (keV) ist eine Energieeinheit, die besonders im Kontext Nuklearphysik, Röntgenphysik und Radioaktivität verwendet wird. Ein Kiloelektronenvolt ist die Energie, die ein Elektron erhält, wenn es durch eine elektrische Spannung von 1000 Volt beschleunigt wird. Auch die Energie von Strahlungsquanten (Photonen) kann damit beschrieben werden: Sichtbares Licht hat pro Photon eine Energie von einigen Elektronenvolt, bei Röntgenstrahlung sind es zwischen 60 und 140 Kiloelektronenvolt, die Gammastrahlung hat meist mehr als 100 keV Energie.
Ende der 1950er-Jahre entwickelte der amerikanische Physiker Hal Anger eine Kamera speziell für Gammastrahlung, die sich sehr schnell im Bereich der bildgebenden Diagnostik etablierte. Diese besteht aus einem Einkristall, in dem die Gammaquanten in Licht umgewandelt werden, und einem Kollimator, der im Wesentlichen eine Bleiplatte mit kleinen Bohrungen ist. Es interessieren also nur solche Quanten, die ungehindert durch diese „Löcher“ den Kristall treffen, wodurch sich eine Blickrichtung des Detektors ergibt. Das letzte Element sind Lichtsignalverstärker, sogenannte Photomultiplier. Diese zunächst planare Szintigrafie (vergleichbar mit klassischen Röntgenaufnahmen) wurde mit um den oder die Patient:in rotierenden Kameraköpfen dann zum dreidimensionalen Bild wie bei der Computertomografie, dem SPECT-Verfahren (Single-Photon-Emissionscomputertomografie).

Parallel zur planaren Szintigrafie entwickelte sich in den 1980er-Jahren die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) insbesondere im Forschungsbereich. Hierbei werden Substanzen zur radioaktiven Markierung verwendet, die beim Zerfall ein Positron – das Antimaterieteilchen des Elektrons – aussenden. Nach der Emission des Positrons verliert dieses im Gewebe Energie, bis es sich mit einem Elektron gegenseitig vernichtet. Dabei werden zwei Gammaquanten mit einer Energie von jeweils 511 keV frei, die in entgegengesetzter Richtung austreten und sich detektieren lassen. Bei der PET handelt es sich also um eine praktische Anwendung von Antimaterie!
Die Substanzen, welche die Positronen aussenden, werden in Teilchenbeschleunigern – Zyklotronen – erzeugt, die sich meist im Keller größerer nuklearmedizinischer Einrichtungen befinden. Die darin hergestellten Nuklide zerfallen aber innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden. Damit waren sie zunächst nicht in der gewünschten klinischen Breite einsetzbar, sondern nur dort, wo auch ein Zyklotron sie vor Ort produzieren konnte. Erschwerend kam hinzu, dass die Messtechnik eine andere als bei der SPECT ist: Die beiden Vernichtungsquanten müssen immer beide gleichzeitig gemessen werden, was dazu führt, dass der oder die Patient:in von einer Vielzahl von Detektoren umgeben ist, die permanent auf gleichzeitige Ereignisse untersucht werden müssen. Anfangs waren deswegen nur kleine Bereiche des Körpers untersuchbar, Herz und Hirn waren die primären Anwendungsgebiete.

Kombination verschiedener Technologien
Mit Beginn der 2000er-Jahre integrierten sogenannte Hybridgeräte einen Computertomografen (Seite 215) und ein PET- beziehungsweise ein SPECT-Gerät. Damit wurde es möglich, das Beste aus beiden Welten – hoher funktioneller Informationsgehalt und hohe räumliche Auflösung – in einer (sequentiellen) Untersuchung abzubilden. Insbesondere die PET/CT-Kombination setzte sich in erstaunlicher Geschwindigkeit durch. Ein Schlüsselelement war dabei die sogenannte Schwächungskorrektur: Da für die Messungen die Gammaquanten ungestreut den Körper verlassen müssen, nimmt das verwertbare Signal zur Körpermitte hin ab. Erst die Integration der Verteilung von schwächendem Gewebe in die Bildrekonstruktion machte PET-Systeme quantitativ nutzbar. Beim PET/CT wurde nun die CT-Information mit relativ niederenergetischen Quanten (100–140 keV) auf die PET-Quanten von 511 keV extrapoliert und erlaubte die Untersuchungszeit so weit zu reduzieren, dass klinische Untersuchungen effizient möglich waren. Dies erlaubte im Zusammenspiel mit technischen Neuerungen (insbesondere im Bereich der statistischen Bildrekonstruktion von kostengünstigen Rechnersystemen) und der klinischen Zulassung eines mit radioaktivem Fluor markierten Zuckermoleküls Teil- und Ganzkörperuntersuchungen mithilfe der PET/CT, etwa in der Krebs- oder kardiovaskulären Medizin. Hierbei wird ausgenutzt, dass sich diese Zuckersubstanz in vielen Tumoren und bei entzündlichen Prozessen stark anreichert. So verzehnfachte sich die installierte Basis der PET/CT-Systeme binnen eines Jahrzehnts und stellt heute den klinischen Standard in der molekularen bildgebenden Diagnostik dar.
Die Integration von PET mit der Magnetresonanztomografie (MRT) hingegen war eine massive Herausforderung, da die Verwendung von konventionellen Lichtsignalverstärkern in Magnetfeldern unmöglich ist. Erst der Einsatz von sogenannten Avalanchephotomultiplieren mit ihrer geringen Bautiefe und ihrer Unabhängigkeit von Magnetfeldern führte zum Erfolg: 2010 wurde in München das erste System weltweit installiert und klinisch erprobt – 2024 waren bereits einige Hundert im Einsatz, was aber im Vergleich zu den Tausenden PET/CT-Geräten weltweit noch wenig ist. Die zweite Generation von PET/MR-Systemen nutzt digitale Silizium-Photomultiplier-Detektoren zum hochsensitiven Nachweis der 511-keV-Strahlung mit hoher zeitlicher Auflösung, zur Zeit nur 250 Pikosekunden. Damit lässt sich bei der Bildrekonstruktion der Ort, an dem sich Positron und Elektron vernichten, auf wenige Zentimeter genau eingrenzen. Im Verbund mit weiteren Innovationen zeigt sich heute im Vergleich zur ersten Generation der PET/MR eine Leistungssteigerung digitaler PET/CT-Systeme um einen Faktor 10 – der sich mit kürzeren Untersuchungszeiten, geringerer injizierter radioaktiver Dosis oder gesteigerter Ortsauflösung nutzen lässt. Seit ebenfalls gut einer Dekade stehen auch im Bereich der SPECT Alternativen zur zuvor beschriebenen Angerkamera zur Verfügung. Mit Halbleiterdetektoren wird die hochenergetische Strahlung direkt gemessen, was eine erheblich gesteigerte Effizienz und damit potenziell geringe Strahlendosen bedeutet.

Therapie mit radioaktiven Strahlen
Wir erleben seit wenigen Jahren eine erstaunliche Ausweitung des Konzepts, Diagnostik, Therapie und Messung des Therapieeffekts miteinander zu kombinieren („Theranostik“). Ein Beispiel dafür sind neuroendokrine Tumore, also Tumore, die aus hormonbildenden Zellen entstehen. Diese verfügen an ihrer Oberfläche über Bindungsstellen, an die Hormone andocken können. Verabreicht man den Patient:innen mit z. B. Gallium-68 versetzte Hormone, dann lässt sich der Tumor – an den diese Hormone schließlich andocken – radioaktiv markieren und im Detektor sichtbar machen. Auf die gleiche Weise lässt sich auch das Therapeutikum an den Tumor andocken: ein mit dem Betastrahler Lutetium-177 (Halbwertszeit: 6,6 Tage) versetztes Hormon. Die Betastrahlung schädigt dann die Tumorzelle und tötet sie im Idealfall ab. Lutetium-177 wird in Kernreaktoren durch die Bestrahlung von Ytterbium-176 erzeugt. Das ist kein triviales Verfahren, aber die Verfügbarkeit von Lutetium-177 hat das Interesse der pharmazeutischen Industrie geweckt.

Ein weiteres, prinzipiell schon länger bekanntes Radiopharmazeutikum wurde vor relativ kurzer Zeit am Deutschen Krebsforschungszentrum in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Heidelberg für die Diagnostik des Prostatakarzinoms entwickelt – einem weit verbreiteten Krankheitsbild. Dieser Tumor zeigt an seiner Zellmembran das sogenannte prostataspezifische Membranantigen, kurz PSMA. Analog zu den neuroendokrinen Tumoren wurde zunächst PSMA mit Ga-68 oder Fluor-18 markiert und dann mit Lu-177-markiertem PSMA behandelt. Das Medikament steht nun seit Kurzem kommerziell zur Verfügung und wird zur Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms verwendet. Auch andere therapeutische Isotope rücken in den Fokus – insbesondere Actinium-225, das als Alphastrahler eine kürzere Reichweite mit hoher Energieabgabe und damit eine höhere Wirkung auf die Tumorzelle hat. Um die komplexe Abhängigkeit von Forschungsreaktoren zu reduzieren, wird aktuell viel Aufwand betrieben, um auch mit Zyklotronen Radioisotope für die Therapie erzeugen zu können.
Auch wenn die diagnostischen Substanzen mit ihrer kurzen Halbwertszeit viele Informationen liefern, können die Verteilung und insbesondere die Ausscheidung aus dem Körper nur abgeschätzt werden. In der Therapie mit Halbwertszeiten im Bereich von Tagen muss deswegen auf die verabreichte radioaktive Dosis geachtet werden und zwar sowohl im Tumor als auch in Risikoorganen wie der Niere.
Die Erfassung der genauen Strahlendosis ist aber in der Nukleartherapie deutlich komplexer als in der klassischen, von außen erfolgenden Strahlentherapie. Denn bei letzterer lässt sich die Dosis aus den genau bekannten Bestrahlungsdaten und der bekannten Lokalisation des Tumors berechnen. In der Nuklearmedizin hingegen wird das Radiopharmazeutikum injiziert, woraufhin es sich im gesamten Körper verteilt und wieder ausgeschieden wird oder im Körper zerfällt. Alle Zerfallsereignisse im Körper tragen zur Gesamtdosis bei, müssen also für jedes Organ einzeln erfasst und zusammengetragen werden. Dies ist nur mit aufwendigen Messungen und nachfolgenden komplexen Berechnungen möglich. Hier spielen deshalb computerbasierte Methoden wie Monte-Carlo-Simulationen oder künstliche Intelligenz eine große Rolle.
