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Unsere Erde

Atmosphäre: Haut aus Gas

Hätte die Erde die Größe eines Fußballs, so wäre die Atmosphäre gerade mal rund einen Millimeter dick. Trotzdem sorgt diese hauchdünne Hülle auf vielfältige Weise für lebensfreundliche Bedingungen auf der Erde.

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Nur neun Gase machen 99,9999 Prozent des Volumens der Atmosphäre aus: Stickstoff, Sauerstoff, Wasserdampf, Kohlendioxid (CO2) und die Edelgase Argon, Neon, Helium und Krypton sowie Methan. Das restliche Millionstel besteht aus Hunderten bis Tausenden von Spurengasen. Etwa 99 Prozent der gesamten atmosphärischen Luftmasse ist in den untersten 30 Kilometern über dem Erdboden konzentriert. Der Atmosphärendruck fällt mit der Höhe exponentiell ab, daher hat die Atmosphäre keine scharfe Obergrenze.

Aus Erfahrung wissen wir, dass die Atmosphäre mit zunehmender Höhe kälter wird. Diese Beobachtung lässt sich physikalisch begründen: Hebt man ein Luftvolumen an, ohne dass es Energie mit der Umgebung austauscht – eine gute Näherung bei der großen Ausdehnung der Atmosphäre –, so sinkt sein Umgebungsdruck: Das Volumen dehnt sich aus und kühlt – entsprechend der Poissonschen Zustandsgleichung – dadurch ab, alle hundert Meter um etwa ein Kelvin. Dies wird als der trocken adiabatische Temperaturgradient bezeichnet.

Schicht um Schicht

Temperaturverlauf in der Atmosphäre (links). Mit zunehmender Höhe verändert sich die Zusammensetzung der Luft (rechts) hin zu leichteren Molekülen. Die turbulente Durchmischung der Atmosphäre unterhalb von 100 km wird durch die molekulare Diffusion abgelöst. Leichtere Moleküle und Atome wie Wasserstoff (gelb gestrichelt) oder Helium (gelb) gelangen weiter nach oben als verhältnismäßig schwerer Sauerstoff oder Stickstoff (blau und orange).

Messungen mit Wetterballons, Flugzeugen, Satelliten und bodengebundenen Instrumenten zeigen allerdings, dass das vertikale Temperaturgefälle in der realen Atmosphäre mit nur etwa 0,6 Kelvin pro 100 Meter etwas kleiner ist. Das liegt hauptsächlich daran, dass Wasserdampf kondensiert, wodurch Wärme freigesetzt wird. Allerdings finden wir dieses Temperaturgefälle nur in der untersten Atmosphärenschicht, der Troposphäre, die je nach geografischer Breite bis in eine Höhe von etwa acht Kilometern in den Polgebieten bzw. 16 bis 18 Kilometern am Äquator reicht. Die Tropopause markiert einen Umkehrpunkt: In der darüber liegenden Stratosphäre steigt die Temperatur wieder an, bis sie in rund 50 Kilometer Höhe an der Stratopause fast Zimmertemperatur erreicht. Die Ursache dafür liegt in der Erwärmung durch die Absorption der ultravioletten (UV-)Strahlung der Sonne durch das dort vorkommende Ozon – die bekannte Ozonschicht, welche die Landlebewesen vor diesen schädlichen Strahlen schützt (siehe Seite 275).

Variation der entlang der Breitenkreise gemittelten Atmosphärentemperatur (in Kelvin). Norden ist rechts, Süden links, die Höhe ist nach oben aufgetragen. Temperaturminima finden sich in der unteren Stratosphäre des Winterpols (hier der Südpol) in etwa 22 km Höhe, in der tropischen Tropopausenregion bei rund 14 km Höhe und an der sommerlichen polaren Mesopause in 90 km Höhe. Dort findet man die niedrigsten Temperaturen (unter 140 K) der Atmosphäre.

Oberhalb der Stratosphäre schließt sich mit der Mesosphäre bis in etwa 90 Kilometer Höhe eine Schicht an, die sich nach oben hin wieder abkühlt. Darüber steigt die Temperatur erneut an – diesmal bis auf über 1000 Kelvin in 400 Kilometer Höhe. Daher rührt der Name „Thermosphäre“. Verantwortlich für diese starke Temperaturzunahme ist die Absorption von Sonnenstrahlung durch Sauerstoff bei noch kürzeren Wellenlängen von unter 200 Nanometern.

Analog zur Schichtung nach ihrem Temperaturprofil lässt sich die Atmosphäre aber auch anhand ihrer Durchmischung einteilen, denn die untere (Troposphäre) und mittleren Atmosphäre (Stratosphäre und Mesosphäre) sind turbulent durchmischt. Der Einfluss der molekularen Diffusion wächst exponentiell mit der Höhe und bestimmt ab rund 100 Kilometer Höhe über dem Erdboden wesentlich die Mischung. Man spricht deshalb auch von der „Homosphäre“ (0 bis 100 km), der „Heterosphäre“ (ab 100 km) und einer „Turbopause“ bei 100 km.

Die Strahlungsbilanz der Atmosphäre

Die elektromagnetische Strahlung der Sonne stellt die bei Weitem größte Energiequelle für die Erdoberfläche und die Atmosphäre dar – der Energiefluss ist über 3000-mal größer als der Wärmefluss aus dem Erdinneren an die Oberfläche. Die Strahlungsenergie der Sonne kommt aber keinesfalls ungefiltert am Erdboden an. Knapp ein Drittel wird von den Wolken oder der Erdoberfläche zurück ins All gestreut. Die Atmosphäre absorbiert einen weiteren Teil, sodass nur knapp die Hälfte der einfallenden solaren Strahlung von der Erdoberfläche aufgenommen wird. Diese sendet entsprechend ihrer Temperatur Wärmestrahlung aus.

Bemerkenswert ist dabei, dass der von der Atmosphäre zur Erdoberfläche emittierte thermische Strahlungsfluss größer ist als der von der Sonne empfangene Strahlungsfluss. Dies kommt durch folgenden Prozess zustande: Die atmosphärischen Treibhausgase, insbesondere H2O, CO2, O3, CH4 und N2O, absorbieren die von der Erdoberfläche ausgehende Wärmestrahlung und strahlen sie teilweise wieder zurück zum Erdboden. Diese Gegenstrahlung stellt den zentralen Aspekt des Treibhauseffekts dar, der die globale Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche um 30 bis 33 Grad im Vergleich zu einem treibhausgaslosen Planeten auf behagliche +15 °C anhebt und so das Vorkommen von flüssigem Wasser – und damit von Leben – auf der Erdoberfläche ermöglicht.

Die zunehmenden atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen verursachen eine erhöhte Gegenstrahlung und damit eine Erwärmung der Erdoberfläche. Sie sorgen aber auch gleichzeitig dafür, dass weniger Wärmestrahlung die Stratosphäre und Mesosphäre erreicht, wodurch diese sich abkühlen. Insgesamt können nur etwa zwölf Prozent der vom Erdboden emittierten Strahlung ungehindert ins All entweichen. Dies geschieht vor allem im „atmosphärischen Fenster“ bei Wellenlängen um 10 μm. In der Troposphäre tragen auch strahlungsfreie Prozesse durch den Transport fühlbarer (oder sensibler) und latenter Wärme beträchtlich zum globalen Energiehaushalt bei. Letztere hängt eng mit dem Wasserkreislauf zusammen und spielt eine wichtige Rolle im Klimasystem. Die Energieumsätze in der Atmosphäre sind daher nicht auf die Strahlungskomponenten zu reduzieren.

Schematische Darstellung der strahlungs- und strahlungsfreien Energieflüsse (Konvektion und latente Wärme) im System Atmosphäre-Erdoberfläche. Die Werte sind über die gesamte Erdoberfläche gemittelt.

Dynamik der Atmosphäre

Die globale atmosphärische Zirkulation wird durch den Temperaturgradienten zwischen Äquator und Polen angetrieben. Die durch die Erddrehung verursachte Corioliskraft sorgt jedoch dafür dass die Luft nicht von der heißesten Region (Äquator) direkt zu den kältesten Punkten strömen kann. Es bilden sich daher in jeder Hemispäre drei Zirkulationszellen (Hadley-, Ferrel-, Polare Zelle). Während in der Hadley-Zelle die Strömung recht beständig ist, beschreibt die schematische Darstellung in den Ferrel- und Polaren Zellen nur die mittlere Strömung. Tatsächlich bildet die Grenze zwischen Ferrel- und Polarer Zelle eine mäandrierende und zeitlich stark veränderliche Struktur aus, die sich durch das wechselnde Wetter in den mittleren Breiten bemerkbar macht.

Die Verteilung der Energie in der Erdatmosphäre erfolgt durch die atmosphärische Zirkulation. Sie ist am Boden geprägt durch die Passatwinde der Tropen und Subtropen, sowie durch die Westwinddriftzonen der mittleren Breiten. Die physikalischen Ursachen der relativ stetigen Passatwinde waren über Jahrhunderte hinweg Gegenstand diverser Erklärungsansätze. Heute verstehen wir sie als bodennahen Zweig der Hadley-Zirkulation: Dort wo die Sonne am höchsten steht – also je nach Jahreszeit zwischen dem nördlichen und südlichen Wendekreis –, heizen sich Luftmassen stark auf und steigen nach oben. Die so entstehende Bodentiefdruckrinne bildet die innertropische Konvergenzzone. Die aufgestiegene Luft kühlt mit zunehmender Höhe ab – wodurch in diesem Bereich starke Bewölkung entsteht – und strömt in großer Höhe polwärts. Im Bereich der Subtropen sinkt sie schließlich ab und folgt anschließend dem Luftdruckgefälle zurück in das Tiefdruckgebiet der innertropischen Konvergenzzone. Durch die Erddrehung wird dieser Luftstrom abgelenkt – die Passatwinde entstehen. Sie wehen auf der Nordhalbkugel aus Nordost und auf der Südhalbkugel aus Südost.

Den Passatwinden entgegengerichtet sind die westlichen Winde der mittleren Breiten. Sie kommen durch die Temperaturunterschiede zwischen den warmen Tropen und den kalten Polregionen zustande. In den warmen Tropen fällt der Luftdruck mit der Höhe langsamer ab als in kälteren Regionen. Die Luftdruckunterschiede zwischen den Tropen und den Polarregionen wachsen demnach mit der Höhe an. Luftmassen werden darum zu den Polen hin beschleunigt (Druckgradientenkraft) und aufgrund der Erdrotation abgelenkt (Corioliskraft). Sind diese beiden Kräfte im Gleichgewicht, so ist die Rede von einem geostrophischen Wind. Dieser Zustand ist erreicht, wenn Winde aus westlicher Richtung wehen.

In Bodennähe ist das nicht so einfach, vor allem auf der Nordhalbkugel: Kontinentale Erhebungen wie die Rocky Mountains oder Grönland sorgen für zusätzliche Reibungskräfte und stören den geostrophischen Wind. Es entstehen planetare Wellen (Rossby-Wellen), die in der realen Atmosphäre instabil werden und zur Bildung von wandernden Tiefdruckgebieten führen. Das ist die Ursache dafür, dass das Wetter in den nördlichen mittleren Breiten so wechselhaft ist. Auf der Südhalbkugel, wo es in mittleren Breiten deutlich weniger Landmassen gibt, wehen die Westwinde relativ ungestört. Das schlägt sich unter anderem in deutlich höheren Windgeschwindigkeiten nieder: Je nach geografischer Breite spricht man von den Donnernden Vierzigern („Roaring Forties“), den Wilden Fünfzigern („Furious Fifties“) und den Heulenden Sechzigern („Screaming Sixties“).

Aktuelle Themen der Atmosphärenforschung umfassen die Messung essentieller Klimavariablen und ihrer Veränderung sowie den Einfluss der Erderwärmung auf die Erholung der stratosphärischen Ozonschicht. Weitere Forschungen betreffen lokale Ereignisse wie Starkwinde und den Einfluss von Vulkanausbrüchen auf Atmosphäre und Klima, sowie vielfältige Teilaspekte der Klimaveränderung und Klimamodellierung.

Es gibt nicht „den einen“ Jetstream, sondern mehrere jeweils an den polwärtigen Grenzen der Zirkulationszellen: Die sehr schnellen „Subtropenjets“ in Höhen von etwa 14 Kilometern entstehen am polwärtigen Ende der Hadley-Zellen durch die Drehimpulserhaltung. Der Polarfront-Jetstream hingegen ist ein überwiegend durch Temperaturunterschiede getriebenes Starkwindband in rund zehn Kilometern Höhe, das in den mittleren Breiten auftritt und von Wirbeln geprägt ist, die ihm eine typische Wellenform verleihen. Wenn in deutschen Medien von „dem Jetstream“ die Rede ist, ist in der Regel der polare Jetstream auf der Nordhalbkugel gemeint. Er hat einen wichtigen Einfluss, auch auf unser Wetter in Europa.

Justus Notholt, Ulrich Platt und Christian von Savigny