Die Kosmologie geht von zwei Einfachheits- oder Symmetrieannahmen aus: Diese besagen, dass das Universum von uns aus betrachtet in jeder Richtung gleich aussähe, wenn man seine Eigenschaften über genügend große Bereiche mittelt, und dass dies auch von allen anderen möglichen Beobachtern im Universum von ihrem Ort aus ebenfalls beobachtet werde. Die erste Annahme lässt sich durch Messungen belegen, die zweite indes kaum. Zusammen mit den Grundgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie ergeben diese beiden Annahmen eine Klasse physikalischer Modelle der Struktur des Kosmos, die zunächst von Alexander Friedmann 1922 mathematisch formuliert, dann von Georges Lemaître 1927 sowohl unabhängig hergeleitet als auch empirisch begründet wurde.
Diese Friedmann-Lemaître-Modelle erlauben keinen statischen Kosmos, der sich also weder ausdehnt noch zusammenzieht. Und tatsächlich: Die Bewegung der Galaxien zeigt an, dass sich unser Universum ausdehnt. Jeder beliebige Ausschnitt aus dem Universum muss früher kleiner gewesen sein als heute. In manchen Friedmann-Lemaître-Modellen bleibt ein solcher Ausschnitt immer endlich groß (größer als ein Punkt), auch wenn man beliebig lange in der Zeit zurückgeht. In anderen schrumpft er in endlicher Vergangenheit zu einem Punkt zusammen, hat also keine räumliche Ausdehnung mehr. Beobachtungen zeigen, dass in unserem Universum vor endlicher Zeit alle Abstände beliebig klein gewesen sein müssen, falls es überhaupt durch ein Friedmann-Lemaître-Modell beschrieben werden kann. Das bedeutet, dass vor Milliarden von Jahren das gesamte Universum aus einem sehr dichten und damit auch sehr heißen Anfangszustand hervorgegangen sein muss: dem Urknall.
Es gibt überzeugende Anzeichen eines heißen Anfangs in den Beobachtungsdaten. Eines ist der kosmische Mikrowellenhintergrund („Cosmic Microwave Background“, CMB), der als diffuse elektromagnetische Strahlung das gesamte Universum anfüllt. Sein Spektrum weist ihn als Wärmestrahlung mit einer heutigen Temperatur von 2,7 Kelvin aus. Ein weiteres Indiz sind die Häufigkeiten der leichtesten chemischen Elemente im Universum, vor allem des Deuteriums und des Heliums, im Verhältnis zum Wasserstoff. Sie zeigen an, dass das gesamte Universum während weniger Minuten nach seiner Entstehung heiß genug war, um Wasserstoff durch Kernfusion zu diesen leichten Elementen zu verschmelzen.
Der CMB bekräftigt die erste der beiden Symmetrieannahmen, auf denen das physikalische Weltmodell beruht: Seine Temperatur ist in jeder Richtung am Himmel beinahe gleich. Abweichungen von der mittleren Temperatur liegen im Bereich von wenigen Hunderttausendstel Grad. Diese Temperaturschwankungen des CMB wurden durch mehrere Satelliten präzise vermessen. Aus ihrer Stärke und ihrer räumlichen Ausdehnung können wesentliche Parameter eines Friedmann-Lemaître-Modells genau bestimmt werden, vor allem die räumlichen Dichten von Strahlung und Materie, aber auch die räumliche Krümmung.
Dunkle Materie und Dunkle Energie
Die Oberfläche einer Kugel wird als positiv, diejenige eines Pferdesattels als negativ gekrümmt bezeichnet. Auch unser Universum könnte räumlich gekrümmt sein. Jedoch stellt es sich anhand der Temperaturschwankungen im CMB als räumlich flach heraus. Das wiederum geht nur, wenn die Gesamtdichte aller Strahlungs- und Materieformen im Universum einen gewissen kritischen Wert erreicht. Die Materiedichte, die ebenfalls den Beobachtungen des CMB entnommen werden kann, reicht dafür nicht aus. Dennoch ist sie erheblich größer als der Anteil derjenigen Materie, aus der im frühen Universum die leichten chemischen Elemente entstanden. Neben dieser gewöhnlichen Materie muss es daher eine Materieform geben, die nicht dadurch in Erscheinung treten kann, dass sie leuchtet, und die daher als Dunkle Materie bezeichnet wird.
Darüber hinaus muss es einen weiteren Beitrag zur kosmischen Energiedichte geben, der zusammen mit der Materie- und Strahlungsdichte gerade den kritischen Wert ergibt. Angelehnt an die Dunkle Materie wird er als Dunkle Energie bezeichnet. Dieser Befund wird durch gänzlich andere Beobachtungen bekräftigt. Eine bestimmte Klasse von Sternexplosionen eignet sich dazu, Entfernungen im Universum genau zu messen – auch über gigantische Entfernungen hinweg. Solche Messungen zeigen, dass die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums seit mehreren Milliarden Jahren zunimmt. Die Schwerkraft hingegen, die auf jede Art von Materie wirkt (auch auf die Dunkle Materie), sollte dagegen für eine Verlangsamung der Ausdehnung sorgen! Die Dichte der Dunklen Energie, die aus dieser Beschleunigung bestimmt werden kann, stimmt genau mit dem Betrag überein, der in der Bilanz der kosmischen Energie- und Materieformen zur kritischen Dichte fehlt.
Die einfachste Form, die Dunkle Energie zu erklären, führt über eine kosmologische Konstante. Zwischenzeitlich als überflüssig betrachtet, erwies sie sich in den 1970er-Jahren als theoretische Notwendigkeit. So wie die Newtonsche Gravitationskonstante den gewohnten, anziehenden Teil der Schwerkraft quantifiziert, beschreibt die kosmologische Konstante einen auf kosmischen Längenskalen wirksamen, abstoßenden Teil – ohne eine Aussage zu treffen, was diese Abstoßung genau verursacht. Es gibt zahlreiche Versuche, die Dunkle Energie durch eine zeitlich veränderliche, bisher unbekannte Energieform zu erklären. Bisher deutet jedoch kein empirischer Hinweis darauf hin, dass die Dunkle Energie etwas anderes als die kosmologische Konstante sein müsste.
Kandidaten für Dunkle Materie
massereiche, schwach wechselwirkende Elementarteilchen (WIMPS) | möglich |
massearme Elementarteilchen (Axionen oder ähnliche Teilchen) | möglich |
Schwarze Löcher aus der Frühzeit des Universums | möglich, aber in einigen Massenbereichen ausgeschlossen |
Kandidaten für Dunkle Energie
kosmologische Konstante | möglich, bisher mit allen Beobachtungen verträglich |
dynamisches Quantenfeld | möglich |
Die Fragen danach, wie die Dunkle Materie und die Dunkle Energie erklärt werden könnten, bestimmen einen wesentlichen Teil der modernen Kosmologie. Das Standardmodell (SM) der Teilchenphysik enthält keine Elementarteilchen, die als Dunkle Materie geeignet wären, die also nur durch ihre Schwerkraftwirkung in Erscheinung treten. Obwohl die Zusammensetzung der Dunklen Materie bislang unbekannt ist, konnte ihre Verteilung vor allem mithilfe des schwachen Gravitationslinseneffekts auf großen Ausschnitten des Himmels kartiert werden. Der Mitte 2023 gestartete Euclid-Satellit soll wesentlich zur Aufklärung der beiden dunklen kosmischen Komponenten beitragen.

Während Dunkle Materie zuerst durch ihre Wirkung in Galaxienhaufen und Galaxien entdeckt wurde, wird ihre Existenz heute am überzeugendsten anhand der Temperaturschwankungen des CMB begründet. Wenn der bei Weitem überwiegende Teil des kosmischen Materials aus gewöhnlicher Materie bestünde, wären die heutigen kosmischen Strukturen nur dann erklärbar, wenn die Temperaturschwankungen im CMB um etwa das Hundertfache größer wären als sie sind. Die Dunkle Materie hat während der 13 Milliarden Jahre erheblich dazu beigetragen, dass sich der Inhalt des Universums zu Galaxien und Galaxienhaufen zusammengeklumpt hat.
Es gibt intensive Bemühungen darum, durch Änderungen des Gravitationsgesetzes die gleichen Effekte zu erklären, die die Dunkle Materie erzeugt. Vielfältige Verallgemeinerungen der allgemeinen Relativitätstheorie haben bisher aber keine überzeugenden Möglichkeiten dafür erbracht.
Die Inflationsphase
Die weitgehende Richtungsunabhängigkeit des CMB wirft ein weiteres erhebliches Problem auf. Der CMB entstand knapp 400 000 Jahre nach dem Urknall. Während dieser Zeit konnten sich Signale höchstens 400 000 Lichtjahre weit ausgebreitet haben. Am Himmel erscheint diese Strecke innerhalb des damals jungen Universums nur wenige Male größer als der Vollmond. Es ist kaum zu verstehen, wie sich die Temperatur des jungen Universums über Entfernungen hinweg gleichmäßig einstellen konnte, die erheblich größer als diese Strecke sind und heute den ganzen Himmel umfassen.
Eine Lösung bietet die kosmologische Inflation. Sie postuliert, dass es im sehr frühen Universum eine Phase gab, während der sich das Universum derart ausdehnte, dass vorher mikroskopische Abstände kosmische Dimension erreichten. Konsequenzen der Inflationshypothese können durch Beobachtungen überprüft werden. Eine davon betrifft die statistische Verteilung kosmischer Strukturen und wurde mit hoher Genauigkeit bestätigt. Eine weitere betrifft statistische Schwankungen der Raumzeit, die als Gravitationswellenhintergrund beobachtet werden könnten. Über erste Anzeichen eines solchen Signals wurde 2023 berichtet.
In der Kosmologie treffen die Physik des Allerkleinsten und des Allergrößten direkt aufeinander und regen sich gegenseitig an. Unser Verständnis des Universums im Ganzen hängt eng mit dem seiner allerkleinsten Teile zusammen.