Die starke Wechselwirkung wird durch die Austauschteilchen der starken Kraft, die Gluonen, vermittelt: Sie tragen im Gegensatz zu Photonen eine Ladung, die Farbladung, und können an andere Teilchen mit Farbladung koppeln. Das sind eben nicht nur die Quarks, zwischen denen sie eigentlich die Wechselwirkung vermitteln, sondern auch andere Gluonen.
Dies hat wichtige Konsequenzen. Bei niedrigen Energien ist die starke Wechselwirkung so groß, dass unter normalen Bedingungen keine freien Quarks und Gluonen existieren können; es kommt zum sogenannten Confinement. Umgekehrt gilt: Bei hohen Energien sinkt die Kopplungsstärke. Quarks und Gluonen verhalten sich dann wie nahezu freie Teilchen. Dieses Phänomen bezeichnet man als asymptotische Freiheit. In diesen Fällen ist es möglich, mit den Methoden der Störungstheorie sehr genaue Berechnungen der Quantenchromodynamik (QCD, also der Quantentheorie der Farbladungen) durchzuführen, die sich experimentell überprüfen lassen – zum Beispiel an Teilchenbeschleunigern.

Da Quarks und Gluonen im Detektor nicht als freie Teilchen sichtbar sind, beobachtet man Teilchen, die aus ihnen aufgebaut sind – Hadronen, die aus Quarks bestehen, welche von Gluonen zusammengehalten werden. Die bekanntesten Hadronen sind die Bestandteile von Atomkernen – Protonen und Neutronen. Protonen lassen sich in Teilchenbeschleunigern auf extrem hohe Energien bringen und aufeinanderschießen. Wenn bei einer Kollision von zwei Protonen zwei Quarks aufeinander treffen und in entgegengesetzter Richtung auseinander fliegen, so steigt der Theorie zufolge die starke Wechselwirkung mit deren Abstand immer weiter an. Irgendwann ist die Energie so groß, dass aus dieser Energie ein neues Quark-Antiquark-Paar gebildet wird. Auf diese Weise entstehen neue Hadronen, deren Flugrichtung mit der des ursprünglichen Quarks übereinstimmt – und diese detektiert man. Da es meist mehrere Hadronen mit leicht unterschiedlichen Richtungen sind, spricht man bei diesen Hadronenbündeln von sogenannten „Jets“. Deren Form, Winkelverteilung und Häufigkeit geben dann Aufschluss über die Kopplungsstärke, also darüber, wie stark die Quarks und Gluonen miteinander wechselwirken.
Solche Hadronenjets wurden in vielen Experimenten an verschiedenen Beschleunigern mit hoher Genauigkeit untersucht: Darunter waren die Beschleuniger PETRA und HERA am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg, der Beschleuniger LEP am Forschungszentrum CERN sowie dort auch am Large Hadron Collider (LHC) und am amerikanischen Beschleuniger Tevatron in Illinois (USA). Die Experimente bestätigten die Vorhersagen der Quantenchromodynamik zur starken Wechselwirkung: Innerhalb der Messgenauigkeit entsprachen die Vorhersagen der Theorie den Messergebnissen.
Theorie und experimentelle Überprüfung der schwachen Wechselwirkung
Die schwache Wechselwirkung ist, wie der Name bereits verrät, um einige Größenordnungen schwächer als die starke, aber auch als die elektromagnetische Wechselwirkung. Sie spielt zum Beispiel beim radioaktiven Betazerfall eine Rolle oder bei der Streuung von Neutrinos. In den 1960er-Jahren hatten Sheldon Glashow, Steven Weinberg und Abdus Salam die elektromagnetische und schwache Wechselwirkung in einer einheitlichen Theorie, die nach ihnen benannt ist, zusammengefasst. Einige Aspekte dieser Theorie wurden bereits Anfang der 1970er-Jahre durch Experimente am CERN bestätigt.
Um aus dieser Theorie experimentell überprüfbare Vorhersagen abzuleiten, benötigt man vier Basisparameter, die experimentell bestimmt werden müssen, und mit denen alle weiteren Messgrößen berechnet werden können: die Kopplungskonstante der elektromagnetischen Wechselwirkung, die Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung, die Masse des Z-Austauschteilchens der schwachen Wechselwirkung und die des Higgs-Bosons. Die Kopplungskonstanten geben an, wie stark die Wechselwirkung ist, also etwa welche Kraft ein Elektron auf ein anderes ausübt. Die Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung lässt sich aus dem Zerfall von Myonen bestimmen – Elementarteilchen, die Elektronen sehr ähnlich, aber deutlich schwerer sind und die dieser Art von Wechselwirkung unterliegen.
Für die Tests der elektroschwachen Theorie verwendet man diese vier Basisgrößen und vergleicht Messungen mit verschiedenen Teilchen im Eingangs- und Ausgangszustand.
Die vier Experimente am LEP haben z. B. gemessen, wie oft Z-Bosonen beim Aufprall von Elektronen auf ihre Antiteilchen – die Positronen – entstehen. Die sehr genauen Messwerte stimmen mit hoher Präzision mit der Standardmodellvorhersage überein. Mit diesen und ähnlichen Messungen konnte die Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung mit sehr guter Präzision verifiziert und bestätigt werden.
Weitere Tests folgten mit dem HERA-Collider bei DESY, mit dem die Reaktionen von Elektronen und Positronen mit Protonen bei hohen Energien untersucht wurden. Damit konnten die elektroschwachen Kopplungen zwischen Leptonen und Quarks für den W- und Z-Bosonen-Austausch sehr genau bestimmt werden. Auch bei diesen Messungen wurden die Vorhersagen des SM eindrucksvoll bestätigt.
Die elektroschwache Wechselwirkung wurde anschließend in (Anti-)Proton-Proton-Kollisionen am Tevatron und am LHC bei hohen Energien getestet. Ein wichtiger Meilenstein gelang am Tevatron in den 1990er-Jahren mit der Entdeckung des lange gesuchten Top-Quarks. Mit einer Masse von 172,7 ± 0,3 GeV ist es das schwerste bekannte Elementarteilchen. Die gemessene Masse stimmt hervorragend mit den Vorhersagen überein, die sich aus den präzisen LEP-Daten durch so genannte Strahlungskorrekturen ableiten lassen. Damit ist gemeint, dass Teilchen wie das Top-Quark, die schwerer sind als die bei LEP verfügbare Energie, kleine Veränderungen in den Daten hervorrufen. Genaue Messungen erlauben es, diese Abweichungen zu erkennen und eine Abschätzung der Masse des Top-Quarks zu erhalten.
Der größte Erfolg des LHC war die Entdeckung des letzten noch fehlenden Teilchens im SM – des Higgs-Bosons – im Jahr 2012 (Seite 41). Die Datenanalysen der folgenden Jahre lieferten bereits sehr genaue Messungen der Eigenschaften des Higgs-Bosons. Die Messungen ergaben eine Masse von 125,25 ± 0,17 GeV. Die weiteren Eigenschaften des Teilchens sind kompatibel mit einem Spin-0-Higgs-Teilchen, wie im Standardmodell (SM) vorhergesagt. Eine wichtige Eigenschaft des Higgs-Teilchens ist, dass die Stärke, mit der es an andere Teilchen ankoppelt, proportional zu deren Masse ansteigen sollte. Dies wurde mit den Messungen am LHC eindrucksvoll bestätigt. Ziel der ab 2029 beginnenden Phase der höchsten Luminosität am LHC ist es, die Eigenschaften des Higgs-Bosons noch genauer zu vermessen. Insbesondere wird es dann möglich sein, die Kopplung der Higgs-Bosonen untereinander experimentell zu bestimmen.

Aufgrund seiner hohen Energie bietet der LHC die einzigartige Möglichkeit, Kollisionsereignisse zu erzeugen, bei denen am Ende zwei oder mehr Vektorbosonen (Photon, W, Z) entstehen. Diese sind daher besonders interessant, da die auftretenden Kopplungen untereinander im SM eindeutig festgelegt sind. Schon kleine Abweichungen von dieser Vorhersage würde Physik jenseits des SM erfordern. Bis jetzt stimmen alle Messungen mit den Vorhersagen überein. Zukünftige Messungen bei höchster Luminosität werden einen noch viel genaueren Test ermöglichen.
Auch kleinere Experimente tragen bei
Nicht immer müssen die Messungen an den riesigen Teilchenbeschleunigern durchgeführt werden. Paradebeispiele für kleinere Experimente sind hier die Messungen des anomalen magnetischen Moments des Elektrons und Myons. Diese Größe gibt an, wie sich die Teilchen im Magnetfeld verhalten. Für Elektronen wird die Messung mithilfe von Teilchenfallen, für Myonen in einem kleinen Speicherring durchgeführt.

Die Messungen an Elektron und Myon ergänzen sich und testen unterschiedliche Aspekte der elektroschwachen Theorie. Das Elektron dient als sehr genauer Test der Quantenelektrodynamik, während beim Myon, aufgrund seiner höheren Masse, Beiträge der schwachen und starken Wechselwirkung einen größeren Einfluss haben. Noch nicht entdeckte schwere Teilchen außerhalb des SM würden sich daher beim Myon eher bemerkbar machen als beim Elektron. Einen Unterschied zwischen Theorie und Experiment kann man als indirekten Hinweis deuten, dass es noch Teilchen und Wechselwirkungen gibt, die nicht im SM beschrieben werden.
Alle im SM vorhergesagten Teilchen wurden mittlerweile entdeckt, und es wurden keine weiteren Teilchen gefunden. Auch bei den Wechselwirkungen der Teilchen untereinander wurden bisher keine Abweichungen von der Theorie gefunden, die größer sind als die bekannten Messunsicherheiten. Insgesamt kann man sagen, dass das SM alle Tests mit Bravour bestanden hat; allerdings erfordert die Entdeckung der Neutrinooszillationen eine Erweiterung des SM, um Neutrinomassen konsistent beschreiben zu können. Vollständig ist das SM also trotz seiner Erfolge nicht.