MENSCHEN
Für die Gesellschaft

Politikberatung mit Physik

Erkenntnisse und Anwendungen der Forschung durchdringen unseren Alltag. Wissenschaftskommunikation erklärt Forschungsergebnisse, Methoden der Forschung und Grenzen ihrer Erkenntnis. Sie unterstütz den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft über Ergebnisse, Ziele und Rahmenbedingungen der Forschung.

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Wir leben heute in einer von Wissenschaft und technischen Innovationen geprägten Welt. Die Implikationen von Forschung und Entwicklung bergen aufgrund vielfältiger, oft nicht sofort erkennbarer Anwendungsmöglichkeiten enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Chancen, aber auch viele Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten. Forschende sind oft die ersten, die mögliche Konsequenzen ihres Tuns einschätzen können. Wissenstransfer ist durch offene Labore, die schnelle Einführung von neuen Technologiezyklen im internationalen Wettbewerb und die Diffusion von neuen Erkenntnissen und Produkten in vielen Lebensbereichen und Staaten in der Forschung etabliert. Zur Wissenschaftspolitik gehört auch die Pflicht der Wissenschaft, die Chancen und Risiken neuer Entwicklungen Politik, Gesellschaft und internationaler Gemeinschaft zu erklären. Dort, wo neue Anwendungen und neue Technologien ins Spiel kommen, müssen Mechanismen, Wirkungen und Konsequenzen von den Adressaten verstanden werden, damit sie politisch verantwortungsvolle Entscheidungen treffen können. Die Komplexität dieser Zusammenhänge ist dabei eine ewige Herausforderung. Sie erfordert zusätzliche Anstrengungen und ist auch Aufgabe und Auftrag der Politikberatung für Regierungen, Parlamente, die allgemeine Öffentlichkeit und die internationale Gemeinschaft. Bei der Politikberatung fließen unterschiedliche Erkenntnisse und Erfahrungen der Wissenschaftsdiplomatie, Technologiefolgenabschätzung (Seite 319) und Wissenschaftskommunikation (Seite 333) zusammen. Themen wie Viren, künstliche Intelligenz, Biodiversität, Extremwetter oder nukleare Bedrohung benötigen wissenschaftliche Grundlagen für eine rationale Politik. Auch Ressortforschung ist nötig, um dem politischen Entscheidungsprozess konkrete Ergebnisse zur Verfügung zu stellen. In einer Welt, in der immer mehr Falschinformationen verbreitet werden, ist wissenschaftliche Rationalität und Expertise dringend notwendig.

Was ist Politikberatung?

Wissenschaftliche Politikberatung (Scientific Advice) ist das Bereitstellen von fundierten Informationen und daraus resultierenden Handlungsempfehlungen an politisch und gesellschaftlich Handelnde, z. B. Ministerien, Parlamente oder internationale Organisationen. Grundlage neben der wissenschaftlichen Expertise und Rationalität sind dabei rechtliche Rahmen wie das Grundgesetz, die UN-Charta oder internationale Verträge. Auch Ethik und Moral, gesellschaftlicher Fortschritt, Nachhaltigkeit und politische Orientierung sowie wirtschaftliche Interessen spielen dabei stets eine wichtige Rolle. Wissenschaft soll objektiv, politisch neutral und dem Wohlergehen aller verpflichtet sein. Wissen­schaft­ler:innen sind befähigt, mit komplexen Themen umzugehen und Lösungen zu erarbeiten. Davon abzugrenzen sind wissenschaftsbasiertes Konsultieren (policy consulting) oder Lobbyismus, bei dem es darum geht, bestimmte Ziele zu erreichen. Hier ist große Zurückhaltung der Wissenschaft und große Transparenz geboten.

Zu unterscheiden ist die Politikberatung innerhalb des Regierungssystems durch Ressortforschung und die Beratung des Parlaments (z. B. im Gesetzgebungsprozess) sowie die Beratung der Öffentlichkeit oder die globale Gemeinschaft dort, wo komplexe globale Themen wie der Klimawandel zur Debatte stehen. Verschiedene Themen- und Handlungsfelder benötigen auch unterschiedliche wissenschaftliche Expertise. Physiker:innen leisten auf verschiedenen Ebenen in vielerlei Institutionen, national und international, wichtige Beiträge.

Institutionen und Politikberatung

In verschiedenen Ländern wird ein großer Teil der wissenschaftlichen Politikberatung von diversen Gremien wie Expertenkommissionen, Instituten oder Thinktanks wahrgenommen. Staaten haben eine uneinheitliche Beratungskultur. Aufgrund der Erfahrungen im Nationalsozialismus, in dem die Wissenschaft ideologisch instrumentalisiert wurde, gibt es in Deutschland eine gewisse Distanz zwischen Wissenschaft und Politik. Das Parlament und dessen Ausschüsse werden insbesondere durch Expertisen und Gutachten des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) und des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags beraten, an denen auch Physiker:innen beteiligt sind. In Deutschland gibt es keine Wissenschaftsberater:innen wie in den USA oder Großbritannien, die den verschiedenen Ministerien zuarbeiten. In Deutschland sind die Präsidien der DFG, der Max-Planck-Gesellschaft oder der Helmholtz-Gemeinschaft jedoch stellvertretend für ihre Organisationen Ansprechpartnerin für die Politik. Gerade im Bereich nationaler Sicherheit, bei der neue Technologien einen erheblichen Einfluss auf Militärstrukturen, Konfliktlagen und neue Bedrohungen haben, sind Wissenschafts- und Technikanalysen von Bedeutung, man denke nur an die Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz, Quanten- oder Raumfahrttechnologien.

Die Nationale Akademie Leopoldina berät im Regierungsauftrag Politik und Öffentlichkeit basierend auf wissenschaftlich fundierten Analysen zu gesellschaftlichen Themen. Interdisziplinäre Gruppen verfassen Stellungnahmen, Diskussionspapiere, Zukunftsberichte oder Faktenzusammenstellungen, die öffentlich zugänglich sind und verständlich sein sollen. Empfehlungen der Leopoldina wenden sich aber auch an die Wissenschaft selbst. So hat die Leopoldina zusammen mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2014 „Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung“ erarbeitet und einen gemeinsamen Ausschuss zu der Problematik ins Leben gerufen. Ethikkommissionen an Universitäten und Forschungseinrichtungen beschäftigen sich mit ethisch problematischen Fällen oder der Verbesserung der Aufmerksamkeit von Dual-Use-Anwendungen. Auf EU-Ebene wurde 2016 der „Scientific Advice Mechanism“ ins Leben gerufen, an dessen Spitze eine siebenköpfige „High Level Group“ von Wissenschaftler:innen steht. Die Group of Chief Scientific Advisors (GCSA) bietet dem Kollegium der Europäischen Kommissare hochwertige und unabhängige wissenschaftliche Beratung zu allen Themen, einschließlich zu politischen Fragen, die das Europäische Parlament und der Rat als wichtig erachten. Daran beteiligen sich auch die europäischen Akademien der Wissenschaften durch das Konsortium SAPEA (Science Advise for Politics by European Academies).

Natürlich gibt es unterschiedliche Sicht- und Verfahrensweisen in Politik und Wissenschaft. Es bleibt zudem die Frage, ob Wissenschaftsberatung von der Politik tatsächlich genutzt, verstanden, aufgegriffen oder umgesetzt wird. Eine Umfrage der Fachzeitschrift Nature Ende 2024 ergab, dass 70 Prozent der 400 befragten Expert:innen, der Meinung sind, dass Regierungen nicht auf wissenschaftliche Beratung zurückgreifen. Zudem wissen Forscher:innen oft nicht, wie die Meinungs- und Entscheidungsfindung in der Politik funktioniert oder dass wissenschaftliche Ergebnisse zu langsam kommuniziert werden. Hier besteht Verbesserungsbedarf, insbesondere für nationale und internationale Notlagen. Auch die Öffentlichkeit betrachtet die Wissenschaft zunehmend skeptisch. So wird Wissenschaft einerseits für Fehlentscheidungen oder auftretende Schäden verantwortlich gemacht, andererseits wird behauptet, die Politik habe nicht genügend auf wissenschaftliche Expertise gehört. Die aktuelle Umfrage der Fachzeitschrift Nature ergab, dass fast 80 Prozent der Befragten mit dem Wissenschaftsberatungssystem in ihrem Land unzufrieden sind.

Beratung der Politik als Ressortforschung: forschen – prüfen – beraten

Ressortforschungseinrichtungen (RFE) haben unter­schied­liche Rechtsformen und sind organisatorisch einem Ministerium (Ressort) des Bundes zugeordnet. Im Jahr 2024 wurden im Bundesbericht Forschung und Innovation (BuFI) 43 Bundeseinrichtungen mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben mit schätzungsweise mehr als 16 000 Mitarbeiter:innen und einem Gesamtbudget von 1,9 Milliarden Euro benannt. Die Ressortforschung ist institutionell zwischen Wissenschaft und Politik angesiedelt und agiert in einem Spannungsfeld der unterschiedlichen Rationalitäten von Wissenschaft und Politik.

Die wichtigsten Aufgaben der RFE sind die Durchführung von wissenschaftlicher Forschung, Politikberatung zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben in den Ressorts und Informationsbeschaffung sowie hoheitliche Aufgaben und direkte Prüfaufgaben, etwa in der Form gesetzlich festgelegter Aufsicht, Normung, Zulassung und Risikobewertung. Die Forschung der RFE ist analog zu anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen missionsorientiert und zumeist praxisnah und sehr interdisziplinär ausgelegt. Die RFE kombinieren kurzfristig abrufbare wissenschaftliche Kompetenzen mit anwendungsinspirierter Grundlagenforschung zu langfristig angelegten Fragestellungen. Mit dieser als „Antennenfunktion“ beschriebenen Forschung sollen Themenfelder bearbeitet werden, die noch keinen Handlungs- oder Regelungsbedarf seitens der Politik erkennen lassen, aber für gesellschaftspolitische Fragen der Zukunft relevant werden können. Durch das Transferwissen und die Übersetzungsleistungen vom wissenschaftlichen System in das Anwendungssystem werden auch transdisziplinär Stakeholder der Politik, Verwaltung und Gesellschaft eingebunden.

Die Ursprünge der Ressortforschung liegen in der Zeit der Aufklärung und der preußischen Reformpolitik im 19. Jahrhundert. Erste staatliche Forschungseinrichtungen wie die heutige Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (1871) und die Physikalisch-technische Reichsanstalt (1887) wurden gegründet, um die Verwaltung zu unterstützen und wissenschaftliche Erkenntnisse für den Staatsaufbau in der Industrialisierung zu nutzen. Die Weimarer Republik brachte eine stärkere institutionelle Verankerung der Ressortforschung und Gründungen von RFE, die sich mit spezifischen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen beschäftigten, z. B. soziale Bedingungen der Arbeit, Ernährung und öffentliche Gesundheit. Während des Nationalsozialismus wurde die Ressortforschung ideologisch instrumentalisiert und in den Dienst der Kriegsführung und der totalitären Politik des Regimes gestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik die wissenschaftliche Unabhängigkeit der RFE gestärkt, auch wenn die Einrichtungen weiterhin den Ministerien zugeordnet blieben. Von 1950 bis 1980 gewannen die RFE insbesondere in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und Sicherheit an Bedeutung, auch durch die Gründung des Umweltbundesamts (1974). Dem Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstand die 1969 gegründete Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (heute Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR). Die RFE der DDR waren stärker zentralisiert und organisatorisch und ideologisch in das sozialistische Planungssystem eingebunden. Nach 1990 erlebte die deutsche Ressortforschung eine zunehmende Professionalisierung und Internationalisierung, sodass globale Herausforderungen wie der Klimawandel, die Digitalisierung und globale Gesundheitskrisen zu stärkerer Vernetzung der Forschungseinrichtungen mit internationalen Partnern führte. Zwischen 2004 und 2009 stand die Ressortforschung durch Evaluationen durch den Wissenschaftsrat verstärkt im Fokus der wissenschaftspolitischen Öffentlichkeit. Der Wissenschaftsrat betonte die Notwendigkeit wissenschaftlicher Qualitätsstandards in der Ressortforschung und regte eine stärkere Profilierung und Vernetzung der Einrichtungen an, welche in die Veröffentlichung der „Zehn Leitlinien einer modernen Ressortforschung“ durch die Bundesregierung im Jahr 2007 mündete.

Bei parlamentarischen Abenden bringt die DPG den politischen mit dem wissenschaftlichen Raum zusammen.

Die Ressortforschung nimmt eine spezielle Rolle in der Politikberatung ein, die mit einer doppelten Verantwortung umschrieben wird. Sie muss einerseits wissenschaftlichen Standards genügen und methodisch saubere, objektive und nachprüfbare Forschungsergebnisse liefern. Andererseits muss sie die politischen und administrativen Anforderungen der Ministerien berücksichtigen. Forschungsergebnisse sollen für politische Entscheidungsträger:innen verständlich und nutzbar im Sinne von konsensfähigen robusten politischen Lösungen sein. Im Gegensatz zu anderen wissenschaftlichen Einrichtungen unterliegen die RFE einer unbedingten Pflicht, die an sie gerichteten wissenschaftlichen Fragen zu beantworten und so zum politischen Entscheidungsprozess beizutragen. Dabei bleibt der wesentliche Maßstab aber immer der wissenschaftliche „State-of-the-Art“. Letztlich verantwortet die Politik die Verwendung der Forschungsresultate. Im Bereich der Gefahr- und Risikowarnungen besitzen aufgrund der staatlichen Vor- und Fürsorgepflichten die Ergebnisse und Empfehlungen der RFE eine Verbindlichkeit, die über die der Wissenschaft hinausgeht, und sie zusätzlich mit staatlicher Legitimität ausstattet. Die Beziehungen zwischen Ministerien und RFE sind heute durch eine gegenseitige Anpassung und Aushandlung administrativer und wissenschaftlicher Rationalitäten gekennzeichnet, sodass sowohl wissenschaftlich als auch politisch motivierte Themen in die Forschungsprogramme einfließen. Das Spannungsverhältnis zwischen politischen Aufgaben und Forschung, das in der Literatur in der Vergangenheit häufig als problematisch angesehen wurde, wird heute durch verschiedene Regelungen, wie etwa Vorgaben zur Forschungsplanung, transparente Standards für die Auftragserteilung und die Präsentation von Ergebnissen in unterschiedlichen Kontexten, klare Publikationsrichtlinien sowie die Freiheit bei der Wahl wissenschaftlicher Methoden, angemessen ausgeglichen.

Die Ressortforschung kann sich somit nur an den höchsten wissenschaftlichen Standards orientieren und ihre Ergebnisse im wissenschaftlichen Diskurs veröffentlichen und diskutieren. Es müssen Strukturen und Mechanismen geschaffen werden, welche Unabhängigkeit der Ressortforschung von politischen Einflüssen sowie Vertrauen in das Beratungswissen der Organisationen gewährleistet. In einer verstetigten nationalen und internationalen Zusammenarbeit mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen können die RFE durch den Austausch von Wissen und Methoden an Kompetenzen für ihre Aufgabe gewinnen.

Beratung der Öffentlichkeit: Haltung und Kontroversen

Jenseits von Regierungsinteressen ist eine unabhängige Expertise für die Information von Öffentlichkeit durch die Wissenschaftsgemeinschaft notwendig. Wissenschaft soll parteipolitisch neutral sein, ihre Argumente objektiv und verantwortungsvoll vorbringen und ihre Quellen und Argumente transparent gestalten. Im demokratischen Diskurs ist es zentral, dass unabhängige Fachorganisationen wie die Deutsche Physikalische Gesellschaft oder die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) sich durch öffentliche Stellungnahmen oder Studien zu aktuellen Zeitfragen äußern: Beispiele sind Stellungnahmen der DPG zur Raumfahrt, zur Energieproblematik, zum Atomteststoppvertrag oder zur nuklearen Abrüstung. In der VDW, die 1957 nach der Göttinger Erklärung von 18 Wissenschaftlern gegen die geplante nukleare Aufrüstung Deutschlands gegründet wurde, vernetzen sich Expert:innen aus vielen wissenschaftlichen Disziplinen, die ihre Verantwortung für die Folgen von wissenschaftlicher Forschung und technischer Entwicklung kritisch reflektieren und mit differenzierter Expertise an der ge­sell­schaftlichen Debatte aktiv teilnehmen. Transparenz der For­schungsergebnisse und zugrunde gelegte Kriterien, ge­sellschaftliche Akzeptanzdebatten und die Einbeziehung relevanter Stakeholder sind hier entscheidend.

Beratung der Internationalen Gemeinschaft: Globale Fragen und internationale Organisationen

Probleme wie der Klimawandel oder die nukleare Bedrohung können nur gemeinsam gelöst werden. Der wissenschaftsbasierte Ratschlag internationaler Organisationen spielt hier eine wichtige, auch völkerverbindende Rolle. Die COVID-Pandemie hat beispielhaft gezeigt, dass internationale Kooperation zum Austausch von Daten zu Gesundheitslage und Behandlungsfortschritt organisiert werden kann. Die Vermittlung der Ergebnisse für die Regierungen spielte dabei eine wichtige Rolle. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat 2023 ein „Scientific Advisory Board“ ins Leben gerufen und damit die große Bedeutung von wissenschaftlicher Beratung unterstrichen.

Der Weltklimarat (IPCC, „Intergovernmental Panel on Climate Change“), wurde von der UN und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) 1988 gegründet, um für politische Entscheidungsträger den Stand der Forschung zum Klimawandel zusammenzufassen, und diesen Grundlage für wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu bieten. Andere Organisationen wie die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) sind wissenschaftlich-technische Organisationen, die im Rahmen des UN-Systems Expertise, Daten und Standards für die Weltgemeinschaft zu Verfügung stellen, und deren Ergebnisse unverzichtbar sind. Die Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) wurde 1997 gegründet, um die Grundlage für die Einhaltung des Verbots von Kernwaffentests technisch möglich zu machen. Heute umfasst das internationale Überwachungsmessnetz weltweite seismologische, hydroakustische oder Infraschallmessstationen. Das Zusammenführen all dieser Erkenntnisse und Methoden ist wichtig auch in und für die Nationalstaaten z. B. für die Staaten des globalen Südens, die nicht über die Ressourcen und Expertisen der Hochtechnologiestaaten verfügen. Die „International Union of Pure and Applied Physics“, die 1922 gegründet wurde, soll nicht nur die internationale Kooperation für Physik fördern, sondern auch, laut Statut, „… helfen bei der Anwendung der Physik zur Lösung von Problemen, die die Menschheit betreffen.“

Angesichts der künftigen Herausforderungen für die Menschheit und der zunehmend wichtigen Rolle von Wissenschaft und Technologie, seien es Daten oder Geräte, ist ein offenes, robustes und qualitativ hochwertiges Wissenschaftsberatungssystem ebenso wichtig wie die stärkere Nutzung wissenschaftlicher Expertise durch die Politik. Beginnend mit der Ressortforschung, einer guten Vernetzung von Institutionen, Thinktanks und Ministerien bis hin zu internationalen Organisationen ist ein kontinuierlicher, interdisziplinärer, transparenter Dialog über wissenschaftliche Ergebnisse und deren Relevanz für die Politik notwendig. Dazu gehört nicht nur die Offenheit der Forschung für gesellschaftliche Entwicklungen, sondern auch die Einsicht in der Politik, dass die Wissenschaft Wesentliches für den gesellschaftlichen Fortschritt beiträgt.

Ulrich Bleyer und Jens Kube