MENSCHEN
Für die Gesellschaft

Dialog mit der Gesellschaft

Erkenntnisse und Anwendungen der Forschung durchdringen unseren Alltag. Wissenschaftskommunikation erklärt Forschungsergebnisse, Methoden der Forschung und Grenzen ihrer Erkenntnis. Sie unterstütz den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft über Ergebnisse, Ziele und Rahmenbedingungen der Forschung.

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Wissenschaft begegnet uns jeden Tag, wir nutzen ständig ihre Ergebnisse, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Egal ob es der Akku unseres Handys ist, welches uns durch den Alltag bringt, oder die Wettervorhersage, die unsere Pläne rettet – hinter all dem stecken komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse. Dabei interessiert meist nur, dass der Akku möglichst lang hält und die Vorhersage stimmt, weniger jedoch, welche Materialien im Akku verbaut sind oder in welchem Wellenlängenbereich das Regenradar arbeitet. Daher ist die Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft nicht immer so eng, wie sie sein sollte. Vielen Menschen erscheint Forschung wie eine ferne Welt, die schwer zu greifen ist. Genau hier setzt Wissenschaftskommunikation an: Sie erschließt diese Welt, indem sie nicht nur Wissen teilt, sondern auch erklärt, warum Forschung wichtig ist, welche Methoden sie verwendet, was sie sicher weiß und wo ihre Grenzen liegen.

Von der Erklärung zum Dialog

Seit 2003 bereitet das Onlinemagazin Welt der Physik aktuelle Themen der Physik für ein interessiertes Publikum verständlich auf. Es wird gemeinsam von der DPG und dem Bundesforschungsministerium herausgegeben. https://weltderphysik.de

Die Kunst dabei liegt nicht nur in der Vermittlung von Fakten, sondern im Aufbau eines Dialogs mit allen Teilen unserer Gesellschaft. Denn Wissenschaft ist keine Einbahnstraße – sie lebt davon, Fragen zu stellen, Hypothesen zu prüfen und neue Perspektiven zu integrieren. „Wissenschaft entsteht im Gespräch“, formulierte Werner Heisenberg. Genau das muss auch die Kommunikation widerspiegeln. In einem weiteren Zitat sagt Heisenberg, dass Wissenschaft von Menschen für Menschen gemacht wird. Das zeigt sofort, dass die Wissenschaft in das gesellschaftliche Umfeld eingebunden ist und nicht nur über ihre Ergebnisse, sondern auch über die in ihrem System handelnden Personen, mit der Gesellschaft interagiert. Das braucht Austausch, eben Kommunikation.

Ein erfolgreicher Dialog mit der Öffentlichkeit bedeutet, auf die Anliegen der Menschen einzugehen, ihre Interessen aufzugreifen und zu zeigen, wie Forschung Antworten auf drängende Fragen liefern kann. Wenn etwa ein Thema wie der Klimawandel immer wieder in der Diskussion steht, muss verständlich werden, wie wissenschaftliche Erkenntnisse hier nicht nur die Probleme beschreiben, sondern auch Lösungswege aufzeigen können.

Nachwuchs und Politik erreichen

Kinder und Jugendliche spielen dabei eine besondere Rolle. Sie sind die Forschenden und Entwickler:innen von morgen. Um sie zu begeistern, braucht es mehr als nur Formeln und für Außenstehende schwierig zu fassende Theorien. Es geht darum, Neugier zu wecken, die Faszination für die Natur und Technik zu entfachen und ihnen zu zeigen, wie spannend die eigene Entdeckung neuer Zusammenhänge sein kann. Schulprojekte, Experimente und Wettbewerbe, bei denen sie selbst Hand anlegen können, sind ein idealer Einstieg. Dies kann zum Beispiel in Schülerforschungszentren und Schülerlaboren geschehen, die in den letzten Jahrzehnten an vielen Standorten entstanden sind. Ein aus der Teilchenphysik entstandenes Projekt ist das bundesweit agierende Netzwerk Teilchenwelt, in dem Schüler:innen zunächst durch Projekttage in ihrem Klassenverbund an die Elementarteilchen herangeführt werden und – bei weiterem Interesse – über ein Stufen- und Mentoringprogramm es bis zu mehrwöchigen Aufenthalten am CERN bringen können.

Doch die Arbeit der Forschenden endet nicht bei der Heranführung und Qualifikation der nächsten Generation. Ein weiterer entscheidender Kommunikationspartner der Wissenschaft ist die Politik, die über die finanzielle und strukturelle Ausgestaltung des Wissenschaftssystems entscheidet. Politiker:innen stehen jedoch oft vor einer besonderen Herausforderung: Sie müssen bei ihren Entscheidungen die gesellschaftlichen Implikationen wissenschaftlicher Ergebnisse mit einbeziehen ohne selbst Spezialist:in zu sein. Wo Verbände oder große Unternehmen der Wirtschaft Lobbyvertretungen im politischen Raum unterhalten, wird im Bereich der Forschung die Wissenschaftskommunikation zur Brückenbauerin. Beratungsformate, wie parlamentarische Abende oder Expertenanhörungen, geben den Verantwortlichen das Wissen an die Hand, das sie brauchen, um nachhaltige und fundierte Entscheidungen zu treffen. Und nicht zuletzt soll auch eine Publikation wie die vorliegende helfen, wissenschaftliche Erkenntnisse in den politischen Raum zu bringen und dort korrekt einzuordnen.

Vertrauen und Einfluss

Seit 2014 befragt die gemeinnützige Organisation „Wissenschaft im Dialog“ jedes Jahr rund 1000 Personen zu ihren Einstellungen gegenüber Wissenschaft und Forschung. Die Fragen werden dabei an aktuelle Entwicklungen angepasst. So fragte das Wissenschaftsbarometer 2020 konkret zum Einfluss der Wissenschaft auf die Corona-Politik und erfasste 2023 erstmals Ansichten zum Chatbot ChatGPT.

Das Wissenschaftsbarometer erlaubt so Einblicke in die zeitliche Entwicklung. Seit 2014 ist die Zahl der Befragten, die sich nicht gut über wissenschaftliche Ergebnisse informiert fühlen von 35 Prozent auf 17 Prozent gesunken. Fast ein Drittel fühlt sich hingegen gut bis sehr gut über Wissenschaft informiert. In Hinblick auf das Bildungsniveau der Befragten gibt es allerdings große Unterschiede, so fühlen sich 44 Prozent mit hohem formalen Bildungsniveau – also mindestens Abitur – gut bis sehr gut informiert, während es bei Personen mit mittlerem und niedrigem formalen Bildungsniveau nur 23–25 Prozent sind.

Eine ähnliche Tendenz ist in Bezug auf das Vertrauen in Wissenschaft zu beobachten. Bei Menschen mit Abitur ist dieses Vertrauen deutlich größer (75 Prozent) als bei Menschen, die eine Volks- oder Hauptschule besucht haben (40–46 Prozent). Niedrigschwellige Kommunikation von Forschungsergebnissen in allgemeinverständlicher Sprache vermag es, alle zu interessieren und zu informieren und hat, den Ergebnissen des Wissenschaftsbarometers zufolge, noch aufzuholen. Gerade in Zeiten von Social Media, Filterblasen und Fake News, welche viele in den Bann ziehen und häufig zu Fehlannahmen führen, kann Wissenschaft mit Fakten und deren Einordnung reduktionistischen und nicht-rationalen Perspektiven entgegensteuern. Kaum oder gar kein Vertrauen in die Wissenschaft hatten aber nur neun Prozent.

Misstrauen begründeten die Befragten vor allem mit der Abhängigkeit der Forschenden von ihren Geldgebern und möglichen Eigeninteressen. Im Jahr 2024 wurde das erste Mal explizit nach Wissenschaftsfreiheit gefragt. Fast 50 Prozent der Befragten schätzten diese zwar als gegeben ein, es bestanden allerdings auch erhebliche Zweifel bezüglich des Einflusses von Politik und Wirtschaft, den zwei Drittel als zu groß einschätzten. Viele würden sich auch gern an der Auswahl von Forschungsthemen oder an Forschungsprojekten beteiligen.

An den Aussagen zu erneuerbaren Energien und zum Klimawandel zeigt sich eindrücklich, dass gute Kommunikation von Forschungsergebnissen Sichtweisen in der Gesellschaft verändern kann. Während 2014 nur 37 Prozent der Bevölkerung den Aussagen der Wissenschaft zum menschengemachten Klimawandel vertrauten, sind es 2024 59 Prozent. Diese Tendenz lässt sich ebenso bei Aussagen zu erneuerbaren Energien ablesen, deren Nutzen 2014 weniger als die Hälfte der Befragten erkannten – 10 Jahre später sind es immerhin zwei Drittel. So ist weiterhin stichhaltige Wissenschaftskommunikation gefragt, um die Kluft zwischen Forschung und Gesellschaft zu schließen.

Jens Kube, Denise Müller-Dum und Elisabeth Stachura

Ideenaustausch

Kommunikation ist dabei nicht nur etwas, das die Wissenschaft nach außen richtet – sie ist das Fundament der Forschung selbst. Jeder Fortschritt beginnt mit einem Austausch von Ideen. Wenn Forschende miteinander diskutieren, Theorien prüfen und Ergebnisse vergleichen, entsteht Wissen. Diese Dynamik wissenschaftlicher Kommunikation endet nicht an den Grenzen eines Fachgebiets. Im Gegenteil: So ist die wohl wichtigste Aufgabe unserer Zeit, den „Organismus Erde“ zu verstehen, ihn zu erhalten und somit die Frage anzugehen, wie eine resiliente, auf Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit ausgerichtete Wissenschaft und Wirtschaft der Zukunft aussehen könnte, nur zu lösen, indem Expert:innen u.a. aus Biologie, Meteorologie, Physik, Chemie, Informatik und nicht zuletzt aus den Sozialwissenschaften, der Psychologie sowie insbesondere aus der Ökonomie im gesellschaftlichen Diskurs zusammenarbeiten.

Selbst so auf den ersten Blick schwer zu greifende Themen wie die Interpretation der Quantenmechanik lässt sich spielerisch erschließen. Mit der App „Katze Q – Ein Quanten-Adventure“ der Universität Würzburg wird ein zeitgemäßer Zugang gewählt, in dem Erklärungen, Animationen und Interaktionen digital kombiniert sind. Katze Q spielt dabei auf das berühmte Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ an.

Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Wissenschaft nicht nur in ihrer eigenen Sprache bleibt. Gerade für Laien ist der Zugang zu wissenschaftlichen Themen oft eine Herausforderung. Zu viele Fachbegriffe und zu komplizierte Erklärungen können abschreckend wirken. Die besten Beispiele für gelungene Wissenschaftskommunikation zeigen, wie es anders geht. Projekte wie das Wissenschaftsfestival „Highlights der Physik“, Kneipenformate wie „Science goes public“ oder „Pint of Science“, Podcasts wie „Sag mal, du als Physiker…“, „Methodisch inkorrekt!“ oder „Welt der Physik“ beweisen, dass man selbst komplexe Themen anschaulich, spannend und zugänglich machen kann. Solche Formate holen die Menschen dort ab, wo sie stehen, und machen Wissenschaft zu einem Erlebnis.

An den Aussagen zu erneuerbaren Energien und zum Klimawandel zeigt sich eindrücklich, dass gute Kommunikation von Forschungsergebnissen Sichtweisen in der Gesellschaft verändern kann. Während 2014 nur 37 Prozent der Bevölkerung den Aussagen der Wissenschaft zum menschengemachten Klimawandel vertrauten, sind es 2024 59 Prozent. Diese Tendenz lässt sich ebenso bei Aussagen zu erneuerbaren Energien ablesen, deren Nutzen 2014 weniger als die Hälfte der Befragten erkannten – 10 Jahre später sind es immerhin zwei Drittel. So ist weiterhin stichhaltige Wissenschaftskommunikation gefragt, um Forschung noch mehr in die Gesellschaft zu integrieren.

Fachsprache – Die besondere Herausforderung der Wissenschaft

Die Sprache der Wissenschaft ist speziell – und setzt spezielle Kenntnisse voraus. Viele Fachdisziplinen haben eigene Begriffe und Darstellungsformen entwickelt, die perfekt auf ihre Untersuchungsfelder abgestimmt sind. Mit zunehmender Spezialisierung und Tiefe der wissenschaftlichen Untersuchungen steigt auch die Spezialisierung ihrer Darstellung und damit der Begriffswelt. Dem steht die Entwicklung entgegen, dass immer komplexere Systeme in ihrer Entwicklung untersucht werden, man denke nur an das Erdsystem und die Klimaproblematik. Besonders herausfordernd ist dabei die Mathematisierung der modernen Naturwissenschaft. Gerade die Bearbeitung komplexer Fragestellungen mit Computermodellen, KI-Anwendungen und immer neuen mathematischen Formalismen macht die Forschung für Laien schwer zugänglich.

Hier hilft ein Vergleich: Die mathematische Sprache der Physik ist wie Notenschrift in der Musik. Noten erlauben es, musikalische Ideen systematisch und universell zu teilen, sodass Orchester weltweit die gleichen Stücke spielen können. Doch genauso wie Laien sich schwertun, eine Orchesterpartitur zu lesen und zu interpretieren, erschließt sich die mathematische Fachsprache nur den Spezialist:innen. Sich in diese Welt einzuarbeiten, verlangt viel Fleiß und Ausdauer, genau wie in der Musik.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Wissenschaft für Laien unverständlich sein muss. So wie man Musik genießen kann, ohne Noten lesen zu können, ja sogar ganz ohne Noten musizieren kann, lassen sich wissenschaftliche Themen mit gutem Geschick und kreativen Erklärungen auch ohne Fachsprache vermitteln oder selbst erfahren. Populärwissenschaftliche Texte, anschauliche Videos und verständliche Vorträge, vor allem aber die Möglichkeiten selbst mit einfachen Experimenten Naturphänomene zu erfahren, holen Menschen in ihrer Lebenswelt ab und machen komplexe Inhalte greifbar. Dieses „Übersetzen“ ist ein entscheidender Schritt, um die Faszination und Bedeutung der Wissenschaft auch außerhalb ihrer Fachkreise erlebbar zu machen.

Vom Science Center bis zum musikalisch unterstützen Vortrag: Die Formate in der Wissenschaftskommunikation haben sich in den letzten Jahren immer weiter entwickelt. Mit Mut zu Experimenten gelingen hier immer neue interessante Verknüpfungen von Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft.

Ulrich Bleyer und Jens Kube