Mindestens seit den 1970er-Jahren erfasst die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) den Arbeitsmarkt für Physiker:innen und informiert ihre Mitglieder darüber. Die Daten setzen sich im Wesentlichen aus zwei Quellen zusammen: aus dem Mikrozensus, das ist die repräsentative Ein-Prozent-Stichprobe des Statistischen Bundesamts über alle deutschen Haushalte, sowie von der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Erstere basieren auf einer umfangreichen Befragung und Modellbildung. Dadurch beleuchten sie einen um drei bis vier Jahre zurückliegenden Stand des Arbeitsmarkts – aktuell das Jahr 2021. Der Mikrozensus betrachtet alle Physiker:innen, die nach Selbstauskunft einen akademischen Physikabschluss besitzen, insgesamt 181 700 Personen.
Die Daten der Bundesagentur erscheinen monatlich bzw. jährlich und beziehen sich lediglich auf die Gruppe „Erwerbsberuf Physiker:in“ aus dem Mikrozensus. Auch wenn die Zahlen der BA somit nur einen Anteil von rund 19% der Gesamtzahl der Physiker:innen abdeckt, lassen sich daran aktuelle Trends ablesen.
Wer ist Physiker:in?
Bei den statistischen Erhebungen wird zwischen dem Ausbildungsberuf und dem Erwerbsberuf Physiker:in unterschieden. Unter ersterem werden im Mikrozensus alle Personen erfasst, die einen akademischen Abschluss in einem Studiengang mit der Hauptfachrichtung Physik erlangt haben. Absolvent:innen eines Lehramtsstudiums im Fach Physik werden im Mikrozensus nicht berücksichtigt, da dieser die Lehramtsabschlüsse nicht nach Fachrichtung erfasst. Absolvent:innen der Physikalischen Technik an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaft gehören zwar laut Definition des Mikrozensus nicht zu den Physiker:innen, sondern zu den Ingenieur:innen. Die Daten im Mikrozensus basieren aber auf Selbstauskunft, sodass Absolvent:innen, die sich als Physiker:innen „fühlen“, dies durchaus teils als ihren Ausbildungsberuf/Studienabschluss angeben.
Während der Ausbildungsberuf am formalen Bildungsabschluss ansetzt, wird der Erwerbsberuf Physiker:in tätigkeitsbasiert erfasst. Dazu gehören Personen, die z. B. Gesetzmäßigkeiten in der Natur erkennen und in mathematische Modelle fassen. Verwendet wird die Klassifikation der Berufe der Bundesagentur für Arbeit (KldB 2010), bei der dem Erwerbsberuf Physiker:in Kennziffern zugeordnet werden. Alle Personen in Berufen, die diesen Kennziffern zugeordnet werden, zählen zum Erwerbsberuf Physiker:in. Personen mit abgeschlossenem Physikstudium, die im Management (wirtschaftswissenschaftlicher Erwerbsberuf) arbeiten, gehören danach nicht zum Erwerbsberuf Physiker:in – und obwohl es seltsam klingt, gehören auch Professor:innen nicht dazu: Sie sind den Lehr- und Forschungsberufen zugeordnet.
131 700 erwerbstätige Physiker:innen
In Deutschland gab es im Jahr 2021 insgesamt 181 700 Physiker:innen, davon 4200 Erwerbslose und 45 800 Nichterwerbspersonen, also Rentner:innen, Sorgende und andere Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. In den folgenden Auswertungen beschränken wir uns auf die Gruppe der erwerbstätigen Physiker:innen, die 131 700 Personen umfasst.
42% der erwerbstätigen Physiker:innen haben promoviert, 58% besitzen einen (Fach-)Hochschulabschluss ohne Promotion. Die allermeisten davon erwarben ihren Abschluss im Inland (83%) und 17% im Ausland. Dies sagt nichts über die Nationalität der Personen aus: Jemand kann den Großteil seiner Bildungslaufbahn in Deutschland absolviert haben und zur Promotion ins Ausland gegangen sein. Umgekehrt können Personen mit inländischem Master oder Promotionsabschluss ihre vorherige Bildungslaufbahn in einem anderen Land begonnen haben.
Der Großteil der Physiker:innen (81%) arbeitet im Angestelltenverhältnis. 7% sind Beamte, 7% sind selbstständig. Die meisten kommen in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden unter. Der Anteil von Angestellten, die in kleineren Firmen arbeiten, hat sich im Vergleich zu den Vorjahren 2016-2019 von 28% auf 24% verringert, was möglicherweise auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie zurückzuführen ist: Selbständige sind teils in Festanstellungen gewechselt, und in Kleinunternehmen gab es eher Einstellungsstopps als in Konzernen.
Berufe
Im Gegensatz zu vielen anderen Berufsgruppen ist bei Physiker:innen der Anteil an Personen, die auch im Erwerbsberuf Physiker:in arbeiten, mit rund einem Fünftel recht gering. Dies liegt einerseits an der sehr engen Definition des Erwerbsberufs Physiker:in und andererseits daran, dass Physiker:innen in anderen Berufen gern gesehen sind (Pull-Faktor). Das Gegenteil wäre, wenn ausgebildete Personen im Zielberuf keine Stelle finden können und notgedrungen auf andere Berufe und Branchen ausweichen müssen (Push-Faktor). Grund für die Beliebtheit von Physiker:innen in anderen Berufen und Branchen ist, dass sie mathematisch-analytische Denkmuster auf hohem Niveau anwenden und auch in der Praxis komplexe technische Probleme lösen können.
Rund ein Drittel aller erwerbstätigen Physiker:innen sind in einer leitenden Position im unteren oder mittleren/höheren Management tätig. Damit sind etwas häufiger als der Durchschnitt aller Akademiker:innen in Führungs- oder Aufsichtspositionen beschäftigt.
22% der Physiker:innen sind befristet beschäftigt. Dies inkludiert auch die große Zahl an Promovierenden. Interessant ist, wie sich der Anteil an Teilzeittätigkeit seit dem Jahr 2005 von 11% auf 22% verändert hat. Dies entspricht der anekdotischen Evidenz, dass mehr Menschen gerne in Teilzeit arbeiten; sei es, um an der Kindererziehung teilzuhaben, oder um mehr Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit zu erreichen. Da der Arbeitsmarkt für Physiker:innen äußerst gut ist, ist der Fall, dass eine Vollzeitbeschäftigung nicht zu bekommen ist, zu vernachlässigen.
Frauen in der Physik
Der Frauenanteil in der Physik lag im Jahr 2021 bei 18 % und damit höher als in den Jahren zuvor (11% in 2005). Hoffnungsvoll stimmt, dass in den jungen Alterskohorten der Frauenanteil zunimmt. Bei den Studienanfänger:innen liegt er derzeit, je nach Zählweise, bei 20 bis 30%.
Um einen Überblick über den Frauenanteil in verschiedenen Alterskohorten zu erhalten, bietet sich eine Analyse der Mitgliederstruktur der DPG an. Selbstverständlich sind nicht alle Physiker:innen Mitglied der DPG und es gibt dort auch Nicht-Physiker:innen. Trotzdem lassen sich Trends sicherlich auch aus dieser Untergruppe ablesen.
Arbeitslose und offene Stellen
Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen: Die größte Zahl an arbeitslosen Physiker:innen (Erwerbsberuf Physiker:in) gab es im Jahr 2000. Lokale Maxima befinden sich um die Jahre 2004, 2010, 2015 und 2020. Das Maximum um das Jahr 2020 ist auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Im kleinen Bild ist zu sehen, dass die Zahl der Arbeitslosen zwischen März und April 2020 analog zum Gesamtarbeitsmarkt in die Höhe schnellt. Zwischen März und Dezember 2021 erholt sich die Arbeitslosenzahl aber ebenso schnell wieder und steht seitdem besser da als der Gesamtarbeitsmarkt.
Die Bundesagentur für Arbeit erfasst nur offene Stellen, die Arbeitgeber:innen für den „Erwerbsberuf Physiker:in“ melden. Der Stellenmarkt, der für Physiker:innen zur Verfügung steht, ist allerdings deutlich größer, da Physiker:innen, wie weiter oben berichtet, in weitaus mehr Berufszweigen tätig sind. Auch vergeben Unternehmen in der Physik weniger als 10% ihrer offenen Stellen unter Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit. Dennoch weisen die dort registrierten offenen Stellen auf Trends hin. In den Jahren 2022 und 2023 war ein großer Anstieg der offenen Stellen zu verzeichnen. Wir interpretieren dies als ein Indiz des zunehmenden Fachkräftemangels, weil sich insbesondere die Nachfrage im Sektor „Industrie und produzierendes Gewerbe“ verdoppelt hat. Im Jahr 2024 ist die Zahl wieder auf das Niveau der Vorjahre gesunken.
Wie unterstützt die DPG?
Physiker:innen arbeiten in äußerst diversen Berufen und Branchen. Dabei sind sie außerordentlich gefragt, der Arbeitslosenanteil ist gering und hat sich nach der Coronapandemie gut erholt.
Für Absolvent:innen ist die Tatsache, dass ihnen viele Türen offen stehen, Fluch und Segen zugleich. Wenn man viele Möglichkeiten hat, muss man sich gut informieren, was diese Möglichkeiten sind und wie sie zu den eigenen Interessen und Stärken passen. Aus diesem Grund haben viele Aktivitäten der DPG die Berufsinformation zum Thema. Um nur einige zu nennen: Berufsvorbereitungsseminare, Podcasts, Social-Media-Aktionen wie „Physikerin der Woche“, das Mentoring-Programm, das Laborbesichtigungsprogramm „Ein Tag vor Ort“. Das Ziel ist, die Mitglieder bei ihren Berufs- und Karriereentscheidungen zu unterstützen und ihnen dabei mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Aussichten sind gut: Die Berufszufriedenheit unter Physiker:innen ist besonders hoch – 87% würden das Fach noch einmal studieren. Das ist der höchste Wert unter allen Fachrichtungen!
[1] Berechnungen der DPG auf Basis des Mikrozensus. Bei der Interpretation der Daten ist zu beachten, dass speziell der Datensatz des Jahres 2020 durch fehlende Angaben während der Coronapandemie beeinflusst ist. In geringerem Maße betrifft diese Ungenauigkeit auch noch das Jahr 2021. [2] Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit für die DPG. Sie beinhaltet folgende Berufskennziffern: 41404, 41484, 41494, 41414 und 41403. Dies ist eine Untergruppe der in den Veröffentlichungen der Bundesagentur für Arbeit oft allgemein ausgewerteten Gruppe „414 – Physiker“