Physik ist immer dort, wo Neues gedacht und technologische Entwicklungen angestoßen werden. Wir stehen heute vor gewaltigen Aufgaben, für deren Bewältigung begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen. Um so wichtiger ist es, Menschen zu bilden, die erfolgversprechende Lösungen für Probleme finden können. Um beispielsweise die Folgen des Klimawandels zu verstehen, die Leistungsfähigkeit von Computerchips oder die moderne Medizin zu verbessern, benötigt man das Grundlagenwissen der Physik, aber auch eine analytische Denkweise und experimentelle Fertigkeiten. All das wird in herausragender Weise im Physikstudium vermittelt.
Physik ist ein faszinierendes Studienfach, aber auch anspruchsvoll. Ziel des Physikstudiums an einer Universität ist ein grundlegendes Verständnis der Eigenschaften und Verhaltensweisen der Materie in Raum und Zeit. Hierfür erlernen Studierende die aktuellen experimentellen Techniken in Forschungslaboren und die analytischen Methoden durch Vorlesungen und Übungen. Die Erkenntnisse der Physik werden in allen Naturwissenschaften, insbesondere der Chemie und Biologie, aber auch in der Medizin und den Ingenieurwissenschaften angewendet.
Studieninhalte

Das Studium der Physik ist so vielfältig wie die Phänomene und Prozesse, die wir in der Welt beobachten und erfahren können. Wer sich für Physik interessiert, will diese Vielfalt verstehen und zum Wohle der Menschen verwenden (siehe Seite 319). Dazu muss man lernen, in Laboren genaue Beobachtungen und Experimente durchzuführen, am Schreibtisch mit Papier und Bleistift mathematische Theorien zu entwerfen und Schlüsse aus ihnen zu ziehen sowie am Computer komplexe Systeme zu simulieren, um vorhersagen zu können, was passieren könnte. Durch immer ausgeklügeltere Messinstrumente werden neue Phänomene und ungewöhnliche Vorgänge sichtbar, die wir mit bloßen Sinnen nicht wahrnehmen können und die oft auch unserer Alltagserfahrung nicht entsprechen. Das Studium der Physik ist daher vor allem durch Offenheit, Neugier und Spielfreude getrieben, um ungewöhnliche Fragen an die Natur zu stellen und neue Wege für eine Antwort zu finden. Das Studium ist daher auch sehr forschungsorientiert und führt zügig an eigene Experimente und theoretische Modelle heran.
Die fachliche Schwerpunktbildung im Physikstudium beginnt mit der Bachelorabschlussarbeit und kann sowohl zum Masterstudium als auch zur Promotion noch verändert werden. Als Themen können dabei alle Bereiche der Physik, wie wir sie hier im Gesamtwerk darstellen, ausgewählt werden, abhängig von der fachlichen Ausrichtung der Institute des jeweiligen Studienorts.
Ablauf des Fachstudiums
Alle Universitäten in Deutschland, an denen Physikstudiengänge angeboten werden, haben sich in einer Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) zusammengeschlossen. Sie trifft sich zweimal im Jahr und bespricht die Inhalte und die Struktur des Studiums der Physik. Deswegen läuft ein Bachelorstudium an allen Universitäten recht ähnlich ab, und die Studienangebote der Fachbereiche unterscheiden sich hauptsächlich in der Anzahl der Studierenden und Professuren. In den ersten drei bis vier Semestern werden die drei Gebiete Experimentalphysik, theoretische Physik und Mathematik etwa zu gleichen Teilen behandelt, oft in Form von vierstündigen Vorlesungen mit zwei- bis dreistündigen Übungen. Die Übungen sind häufig sehr rechenorientierte Unterrichtsstunden mit Hausaufgaben, die in der Regel von höhersemestrigen Studierenden oder Doktorand:innen betreut werden, während die Vorlesungen in der Regel von Professor:innen gehalten werden. In der Experimentalphysik geht es dabei zunächst um Mechanik, Wärmelehre, Elektrodynamik und Optik, später kommen Quantenphysik, Atom- und Molekülphysik sowie Festkörper-, Kern- und Teilchenphysik hinzu, wobei anfangs viele Versuche vorgeführt werden. Da diese Physik die Grundlage für nachhaltige Energieversorgung, Medizin und Computertechniken darstellt, werden in weiteren Vorlesungen oft Themen wie Klimaphysik, Biophysik und künstliche Intelligenz vertieft.

In zahlreichen Laborpraktika lernen die Studierenden, mit Messgeräten professionell umzugehen und Versuche eigenständig durchzuführen. Am Anfang des Studiums stehen oft auch ein Programmierkurs und zunehmend der Umgang mit Daten, um Experimente steuern und Messdaten richtig auswerten zu können.
In der theoretischen Physik geht es um die großen Phänomenbereiche der Physik und ihren systematischen naturgesetzlichen Aufbau (Seite 11): klassische Mechanik, Elektrodynamik, Quantenmechanik sowie Thermodynamik und statistische Physik. Im Masterstudiengang werden neben „Klassikern“ wie die Quantenfeldtheorie verstärkt Vorlesungen angeboten, die den Forschungsausrichtungen der Fachbereiche oder Fakultäten entsprechen und aus der Breite der in diesem Buch besprochen Themen kommen. Die Studierenden lernen dabei Phänomene mathematisch zu beschreiben, zahlreiche Modelle durchzurechnen und Naturgesetze zu begründen.
Die Mathematik stellt die notwendige Sprache bereit, um Probleme formalisieren und analytisch durchdringen zu können (Seite 17). Vor Beginn des Studiums bieten viele Universitäten Brückenkurse für Mathematik an („Nulltes Semester“), damit alle mit gleichem oder ähnlichem Niveau starten können. Im Studium stehen dann vor allem Analysis für die Differential- und Integralrechnung sowie lineare Algebra auf dem Stundenplan. Später kommen noch Grundzüge der Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie, der Funktionentheorie und Funktionalanalysis hinzu.
In der Regel wählen die Studierenden zusätzlich ein weiteres physikalisches Vertiefungsfach wie z. B. Astronomie und ein nicht-physikalisches Nebenfach wie zum Beispiel Informatik oder Chemie. Manche Universitäten ermöglichen auch Nebenfächer in der Philosophie und Geschichte der Physik, um die erkenntnistheoretischen, ontologischen und sprachlichen Grundlagen der physikalischen Forschung oder die Geschichtlichkeit ihres Wissens zu studieren. Oft geschieht dies in interdisziplinären Lehrveranstaltungen mit den Human-, Sozial- oder Geisteswissenschaften, denn Physik hat als eine zentrale Kulturleistung der Menschen nicht nur eine lange Geschichte, sondern spielt mit ihren Methoden auch heute eine wichtige Rolle – z. B. für historische und archäologische Forschungen – und ist als eine der wirkmächtigsten Weltbeschreibungen auch bedeutsam für Kunst und Literatur.
Physiker:innen müssen zudem lernen, die Folgen ihrer Forschung für die Gesellschaft abzuschätzen und ethisch zu bewerten. Zunehmend ist daher auch Wissenschaftskommunikation integraler Bestandteil des Studiums, um Physiker:innen zu befähigen, in einen Dialog mit der Gesellschaft zu treten und ihre Forschungen bekannt zu machen. Für angehende Lehrende liegt der fachliche Fokus stärker auf der experimentellen Physik und den konzeptionellen Grundlagen des Naturverständnisses.

Physikstudiengänge an den Universitäten

Physik kann flächendeckend in Deutschland an fast allen Universitäten studiert werden. Die Größe der Fachbereiche der Physik variiert dabei sehr stark. Insgesamt ist die Zahl der Absolvent:innen in Deutschland über die letzten 15 Jahre mit rund 2800 Abschlüssen pro Jahr recht konstant gewesen. Das ist bemerkenswert, weil in den 1970er- bis1990er-Jahren die Studierendenzahl mit einer Periode von zehn Jahren stark schwankte.
Nahezu alle Studierenden nutzen die Möglichkeit der konsekutiven Studiengänge, um das Physikstudium nach der Bachelorprüfung durch einen Master zu vertiefen, was in etwa dem Niveau der bis Anfang der 2000er-Jahre durchgeführten Diplomstudiengänge entspricht.
Der Anteil von Frauen unter den Studierenden steigt über die Jahre langsam an, aber eine Gleichverteilung ist längst nicht erreicht. Sowohl bei den Bachelor- als auch den Masterabschlüssen sowie bei den Promotionen liegt der Frauenanteil bei ca. 25%, allein bei den Lehramtsstudiengängen Physik ist der Frauenanteil höher und beträgt ca. 35%.
Abschlüsse für das Lehramt der Sekundarstufe II erreichen jedes Jahr ca. 400 Studierende. Diese Absolventenzahl reicht bei Weitem nicht aus, um den Bedarf an Lehrkräften für Physik in den Schulen zu decken.
Aufgrund des hohen Bedarfs gibt es in der Regel keine Zulassungsbeschränkungen für Studiengänge der Physik. Alle mit einem Interesse an einem wissenschaftlichen Verständnis der Natur sind willkommen und haben beste Berufsaussichten als Physiker:innen, aber auch in der Ingenieursbranche, in einem Lehrberuf, in der Unternehmensberatung, IT, Wissenschaftskommunikation und vielen anderen Berufsfeldern, wie die Karrierebeispiele in diesem Abschnitt zeigen.
Das Studium der Physik ist forschungsorientiert, und die Studienbedingungen sind hierfür an allen Universitäten sehr gut. Die Betreuung erfolgt vor allem in Tutorien und Praktika in kleinen Lerngruppen. Spätestens im dritten Jahr beginnt eine eigene Forschungsarbeit in einer Arbeitsgruppe des Fachbereichs oder kooperierender Institute.
Lehramtsstudium

Im Gegensatz zum Fachstudium Physik ist das Lehramtsstudium in Deutschland durchaus verschieden gestaltet, weil unterschiedliche Vorgaben der Bundesländer zu berücksichtigen sind und das Studium für eine Vielzahl verschiedener Schulformen differenziert werden muss. Während beim Lehramtsstudium für Grundschulen und Förderschulen die didaktischen und pädagogischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen, liegt für Gymnasien und Berufsschulen der Fokus auf dem Fachwissen. Ein Unterricht im Fach Physik ist vor allem in der Sekundarstufe II an Gymnasien und Gesamtschulen vorgesehen.
In Deutschland studiert man in der Regel zwei Fächer für das Lehramt an einer weiterführenden Schule. Das Fach Physik wird von der Hälfte der Studierenden mit dem Fach Mathematik kombiniert, was sich hervorragend ergänzt. Aber auch andere Schulfächer, insbesondere die Naturwissenschaften Chemie, Biologie und Erdkunde sowie die Informatik lassen sich sehr gut zusammen mit Physik studieren. Zusätzlich zum Fachstudium kommen Lehrveranstaltungen zur Fachdidaktik, zur Allgemeinen Pädagogik und Erziehungswissenschaften sowie Praktika in der Schule hinzu.
Studienerfolg und seine Voraussetzungen
Die tatsächlichen durchschnittlichen Studiendauern liegen für den Bachelorabschluss bei 7,5 Semestern, für den Master bei weiteren 5,5 Semestern, d. h. mehr als ein Semester über der Regelstudienzeit von sechs bzw. vier Semestern.
Die Bestehensquote bei den Abschlussprüfungen ist sehr hoch, ein Bachelorstudium wird im Mittel mit der Note 2 (gut) abgeschlossen, ein Masterstudium mit der Note 1,5. Allerdings verlässt rund die Hälfte der Studienanfänger:innen das Bachelorstudium in den ersten beiden Semestern, ohne sich zur Abschlussprüfung anzumelden. Dies untermauert die oft kolportierte vereinfachte Wahrnehmung unter Physiker:innen: „Wer die ersten beiden Semester durchhält, schafft auch den Abschluss!“ Weiterhin zeigen Untersuchungen, dass über 30% der Eingeschriebenen nie an einer Übungsveranstaltung teilnehmen und daher als „Parkstudierende“ gewertet werden müssen.
Über die Hälfte der Absolvent:innen eines Physikmasterstudiengangs schließen eine Promotion an, die im Schnitt vier Jahre dauert. Hinzu kommen aus dem Ausland ca. 30% der in einem Jahr in Deutschland Promovierten, was die große Internationalität der Physik und die Anziehungskraft deutscher Institute belegt. Viele Studierende stellen ihre Forschungsergebnisse aus Bachelor- oder Masterarbeiten auf internationalen Konferenzen oder den DPG-Tagungen vor, und vor allem Promovierende gehen zeitweise zu Forschungsaufenthalten an ausländische Institute, vor allem in Europa, aber auch in die USA, nach Kanada oder Japan.
Die wichtigsten Voraussetzungen für das Physikstudium sind die Freude daran, den Dingen auf den Grund gehen zu wollen, und ein Durchhaltevermögen beim Lösen von Problemen. Es braucht Geduld, um Experimente aufzubauen, bis sie funktionieren, oder um theoretische Resultate zu erzielen, wo es zunächst keinen Weg zu geben scheint. Zu Beginn des Studiums ist die Mathematik aus der Schule wichtig, weshalb die meisten Universitäten Brückenkurse vor dem ersten Semester anbieten. Physikalisches Vorwissen aus der Schule ist hilfreich, aber von der systematischen Anlage des Studiums her grundsätzlich nicht erforderlich.
Entscheidend für den Studienerfolg ist, sich mit anderen Studierenden und den Dozierenden auszutauschen, Lerngruppen zu bilden und im Team zu arbeiten. Alleine findet man oft keine Lösung für Übungsaufgaben oder experimentelle Herausforderungen, weshalb Physik schon immer im Gespräch und in Diskussionen mit anderen erfolgte. Physik wird eben von Menschen für Menschen gemacht.