WIRKUNG
Globale Herausforderungen

Kein Ersatz für Klimaschutz

Großtechnische Eingriffe in das Klimasystem – Climate Engineering – werden als Teil einer Lösung der Klimakrise diskutiert und erforscht. Sie können Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen aber keinesfalls ersetzen, könnten sie aber ergänzen.

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Verschiedene Climate-Engineering-Optionen, unterteilt in Senkung der CO2-Konzentration (CDR, rot) und Strahlungsmanagement (SRM, blau). CDR-Technologien entnehmen der Atmosphäre CO2 und speichern es im Boden oder unter dem Ozean. SRM reduziert die einfallende Sonnenstrahlung, indem es die Reflektivität der Erdoberfläche erhöht.

Im Jahr 2015 einigten sich 195 Staaten im Rahmen des Pariser Klimaabkommens auf das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius – möglichst sogar auf unter 1,5 Grad Celsius – zu begrenzen. Das ist aber nur zu schaffen, wenn die Weltwirtschaft bis spätestens Mitte des Jahrhunderts weitgehend klimaneutral ist. Die momentanen politischen Zusagen zur Dekarbonisierung reichen dazu sehr wahrscheinlich nicht aus. Leider fällt es Staaten rund um den Globus schwer, Emissionen zu reduzieren. Dies zeigen in Deutschland aufgeregt geführte Diskussionen um Flüssiggas-Terminals, Wärmepumpen und die deutschen Klimaziele.

Die Schwierigkeit, die nötigen Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg zu bringen, gibt der Diskussion um Climate Engineering (CE) Auftrieb. Unter CE, auch Geoengineering genannt, versteht man den absichtlichen großskaligen Eingriff in das Klimasystem der Erde mit dem Ziel, die negativen Einflüsse der Klimaveränderung zu mildern. CE ist dabei ein Oberbegriff für zwei unterschiedliche technologische Ansätze: zum einen die Senkung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) und zum anderen die Beeinflussung des Strahlungshaushalts (Solar Radiation Management, SRM).

Ohne CDR wird es nicht gehen

Unsere Optionen der Reaktionen auf den Klimawandel: Die Ecken des Dreiecks symbolisieren die Extreme: Abwendung des Klimawandels durch schnelle Verminderung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre; Anpassung an den Klimawandel; Climate Engineering. Heute ist es für eine vollständige Abwendung des Klimawandels zu spät, wir liegen zwischen Abwendung und Anpassung. Climate Engineering könnte Abwendung und Anpassung erleichtern, birgt aber seinerseits enorme Risiken.

CDR soll CO2 aus der Atmosphäre entziehen. Entsprechende Methoden und Technologien gelten als unverzichtbar, um das Ziel von maximal 1,5 °C globaler Temperaturerhöhung noch einzuhalten. Biologische Verfahren basieren auf der Photosynthese, bei der CO2 in Biomasse umgewandelt wird. Entsprechend zählen die Aufforstung oder die Wiedervernässung von Mooren zu den biologischen CDR-Maßnahmen. Darüber hinaus binden geochemische und technische Verfahren („künstliche Bäume“) CO2 aus der Luft (Direct Air Capture, DAC) oder aus Abgasen energieintensiver Industrien (Carbon Capture and Storage, CCS) und pressen das verflüssigte CO2 in Speicher im Boden oder im Meeresboden. Ein weiterer Vorschlag, der aktuell erforscht wird, ist die Ausbringung von Gesteinsmehl auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Durch den Prozess der Verwitterung von Gestein würde dies ebenfalls CO2 aus der Atmosphäre binden. Debattiert wird auch über eine künstliche Erhöhung des pH-Werts des Ozeans, was diesem erlauben würde, noch mehr CO2 aufzunehmen.

Allerdings sind diese Methoden technologisch noch nicht hinreichend entwickelt und noch nicht im großen Stil umsetzbar. Selbst bei einem zeitnahen technologischen Durchbruch von DAC- oder CCS-Verfahren fehlen unterirdische CO2-Speicher und geeignete Flächen. Um netto-null Treibhausgasemissionen zu erreichen, müssten in Deutschland zur Mitte des Jahrhunderts 50 bis 70 Millionen Tonnen Kohlendioxid abgeschieden werden. Derzeit untersuchen die For­schungs­verbünde CDRterra und CDRmare intensiv CDR-Techniken, um das bisher lückenhafte Wissen über CDR-Entnahmemethoden zu erweitern und mehr Transparenz bei der Kommunikation der Ergebnisse zu erreichen.

Eine grundsätzlich andere Herangehensweise ist das Strahlungsmanagement oder SRM. Zum Beispiel könnte man Wolken mithilfe von Seesalzinjektionen aufhellen, damit sie mehr Sonnenstrahlung reflektieren (Marine Cloud Brightening MCB) oder speziell Zirruswolken ausdünnen, um die terrestrische Ausstrahlung zu erhöhen. Die Aufhellung von Wolken wird aktuell am Great Barrier Reef in Australien getestet. Etwas aufwendiger und erheblich kostspieliger ist die Idee, Spiegel im Weltall zu installieren, um die Sonnenstrahlung abzuschirmen – hierfür wäre eine Fläche von mehr als zwei Millionen Quadratkilometern nötig.

Die am besten untersuchte SRM-Technologie ist die stratosphärische Aerosolinjektion (SAI). Der Chemienobelpreisträger Paul Crutzen hatte diese Idee Anfang des 21. Jahrhunderts von früheren Arbeiten in den 1960er- und 1970er-Jahren aufgegriffen und damit eine vom Menschen erzeugte Schicht von Sulfataerosolen in der Stratosphäre ins Spiel gebracht. Zu diesem Zweck müsste SO2 in die untere tropische Stratosphäre (18–20 km) gebracht werden, wo es zu Sulfat­aerosolen reagiert. Gleichzeitig werden Gase und Aerosole transportiert und global verteilt. Technologien zur Durchführung existieren allerdings noch nicht. Die Aerosolteilchen reflektieren einen Teil der Sonnenstrahlung und führen so zu einer Abkühlung am Erdboden. Diese wirkt dann der Erwärmung durch den Treibhauseffekt entgegen. Vorbild dieser Methode ist ein natürlicher Vorgang, nämlich die globale Abkühlung nach großen Vulkanausbrüchen, z. B. des Pinatubo 1991, die ebenfalls große Mengen an SO2 in die Stratosphäre schleudern. Klimamodelle können die klimatischen Auswirkungen von Vulkanen gut simulieren und geben Grund zu der Annahme, dass der kontinuierliche Einsatz von SAI über viele Jahre die globalen Oberflächentemperaturen tatsächlich stabilisieren könnte. Erkenntnisse über Wirksamkeit, Effizienz und Nebeneffekte können nur durch Computersimulationen gewonnen werden, da die vollen Auswirkungen nur nach langjährigem großskaligen Einsatz bestimmt werden können. Großskalige Experimente hierzu gibt es bisher nicht (Stand 2025).

Physikalische Konsequenzen von SRM

Sowohl die stratosphärischen Aerosole als auch die SRM-Vorschläge zu den Wolken basieren auf einer veränderten Aerosol­konzentration in der Atmosphäre. Die physikalische Grundlage besteht darin, dass Aerosole mit solarer und terrestrischer Strahlung interagieren. Sie streuen solare Strahlung, wodurch ein Teil der auf die Erde einfallenden Solarstrahlung wieder in den Weltraum reflektiert wird, was zu einer Abkühlung am Erdboden führt. Die Effizienz der Streuung ist stark von der Größe der Aerosolteilchen abhängig. Sulfat­aerosole streuen (bezogen auf die eingesetzte Masse) am besten im Größenbereich von 0,2 bis 0,4 μm. Auch wenn Wolken durch Seesalzemissionen aufgehellt werden, müssen die Aerosole in den Wolken in einem bestimmten Größenspektrum (mittlerer Trockendurchmesser 0,1 Mikrometer) liegen, sonst könnte aus der angestrebten Kühlung eine Erwärmung der Atmosphäre werden! Zirruswolken lassen sich nur in wenigen Regionen der Erde in den Modellsimulationen erfolgreich ausdünnen, da nur selten die optimalen Bedingungen vorherrschen. Auch SRM ist demnach keine einfache Lösung.

Zudem hat SRM immer globale Auswirkungen. Abhängig vom Ort der Einführung verteilen sich die Sulfataerosole in die nördliche und südliche Hemisphäre, und erreichen letztendlich wieder die Erdoberfläche. Entsprechend hätte eine regionale SAI-Anwendung prinzipiell globale Auswirkungen. Ein grundsätzliches Problem ist auch die verschiedene raumzeitliche Wirkung von Treibhausgasen gegenüber SRM-Maßnahmen: Treibhausgase vermindern die Ausstrahlung von Wärme global, SRM vermindert die direkte Sonneneinstrahlung am meisten bei niedrigen Breiten und in der Sommerhemisphäre. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass SRM sehr komplex ist. Zudem ist es in vielen Details der Aerosolbildung noch nicht ausreichend verstanden.

Risiken und Nebenwirkungen

Die Aus- und Nebenwirkungen von SRM-Methoden lassen sich mit Erdsystemmodellen simulieren. Dazu gibt man ihnen Klimaszenarien mit verschiedenen Annahmen für zukünftige Treibhausgas- und andere Emissionen vor. Für ein extremes Szenario ohne Klimaschutz berechnen die zwei in der Studie verwendeten Modelle einen entsprechend starken Anstieg der globalen Mitteltemperatur um etwa sechs Grad Celsius bis zum Jahr 2100 und eine Zunahme des Niederschlags um 0,2 Liter pro Quadratmeter und Tag. Gemäßigtere Szenarien mit Klimaschutzmaßnahmen zeigen entsprechend etwas geringere Temperatur- und Niederschlagszunahmen. Wird die Temperaturzunahme durch SAI in den Modellsimulationen auf 1,5 °C begrenzt, so nimmt der mittlere globale Niederschlag ab, weil auch die Verdunstung aufgrund der niedrigeren Bodentemperatur und der verringerten solaren Einstrahlung abnimmt. Ein Nebeneffekt des SAI ist also eine Reduktion des Niederschlags – in diesem Szenario um rund vier Prozent bis zum Ende des Jahrtausends. Die geringsten Niederschlagsänderungen ergeben sich in den Modellen für ein Szenario mit starkem Klimaschutz und geringem SAI. Dies zeigt, dass trotz möglicher SAI-Anwendungen eine starke Reduktion der Treibhausgase unbedingt notwendig wäre, um weniger Nebeneffekte zu erzielen und eine unbegrenzte Anwendung zu vermeiden. Ohne begleitende deutliche Emissionsminderungen gäbe es keinen Ausstieg aus SAI, und die Gefahr eines unkontrollierten Abbruchs mit folgendem sehr schnellem Temperaturanstieg wäre groß.

Die konkreten klimatischen Auswirkungen von SRM hängen stark von den Details der Anwendungen ab. Globale SRM-Anwendungen könnten z. B. die Häufigkeit extremer Wetterereignisse, Hitzewellen oder Stark­nieder­schläge sowie das Abschmelzen des arktischen Eises verringern. Allerdings könnte die Verringerung der Niederschläge in einigen Regionen zu Problemen bei der Wasserversorgung führen. Regionale Dürren und Überschwemmungen und weitere Extreme wären deutlich verringert, aber wegen der Klimavariabilität immer noch zu erwarten. Regionale Auswirkungen, sowie spürbare Auswirkungen auf die Landwirtschaft, Pflanzen, physische und psychische Gesundheit, sind bislang zu wenig erforscht. SAI erhöht außerdem die diffuse Einstrahlung, was vermehrt zu roten Sonnenuntergängen führt.

Die Modelle erlauben heute noch keine klaren Aussagen darüber, wie viel Schwefel eingesetzt werden müsste, um einen bestimmten Temperatureffekt zu erreichen. Das liegt an der unterschiedlichen Berechnung von Aerosol­bildung und Transport in den Modellen, verbunden mit nichtlinearen Wechselwirkungen zwischen diesen Prozessen. Betrachtet man die SO2-Mengen, welche in den verschiedenen Modellen benötigt werden, um die Erde um den gleichen Temperaturbetrag zu kühlen, so unterscheidet sie sich um den Faktor zwei. Ein weiteres Problem ist der Effekt der Aerosole auf die Ozonschicht, das Schutzschild der Erde vor gefährlicher ultravioletter Strahlung: Es wäre zu erwarten, dass sich das Ozonloch mit der Anwendung von SAI langsamer zurückbildet.

Die Wissenslücken, die sich in unseren Modellen zeigen, sind auch durch Beobachtungen nicht einfach zu füllen. Vulkanausbrüche ermöglichen zwar die Beobachtung der Aerosol­bildung und deren Verteilung über den Globus in der Natur. Jedoch sind ausreichend starke Vulkanausbrüche sehr selten. Allerdings tragen auch kleinere Vulkanausbrüche in den letzten zehn Jahren viel zu unserem Verständnis bei und helfen, die Modelle zu verbessern. Für das Verständnis von Langzeitanwendungen von SAI bleiben aber nur numerische Simulationen. Daher ist es wichtig, die entsprechenden Modelle weiter­zuentwickeln und mit Messungen und detaillierten Beo­bachtungen der Erdatmosphäre durch Satellitensensoren zu überprüfen.

Simulierter globaler Mittelwert von Temperatur- und Niederschlagsänderungen unter verschiedenen Klimaszenarien mit unterschiedlicher Mitigation (links) und Szenarien mit stratosphärischer Aerosolinjektion (SAI), bei denen der Temperaturanstieg der Kli­ma­szenarien auf maximal 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Wert begrenzt würde (rechts). Unter Klimawandelbedingungen steigen Temperatur und Niederschlag mit der Zeit an, unter SAI bleibt die globale Durchschnittstemperatur konstant, allerdings nimmt der Niederschlag ab.

Gesellschaftliche Folgen von SRM

Neben der wissenschaftlichen Betrachtung möglicher Nebenwirkungen von SRM muss man auch die Kosten, die technische Machbarkeit (z. B. Transporte von Millionen Tonnen Material in die Stratosphäre) und die gesellschaftlichen Auswirkungen bewerten. SAI gilt als relativ kostengünstig, allerdings nur unter der Annahme einer hohen Effizienz. Rechtlich wäre es derzeit vermutlich möglich, als Einzelperson, Unternehmen oder Staat SAI und andere SRM-Methoden anzuwenden. In diesem Zusammenhang stellt sich daher die Frage, wer über das Klima entscheiden darf? Internationale Vereinbarungen und Regeln zur Anwendung von SRM sind dringend erforderlich. Bei negativen Auswirkungen, wie Dürren oder Überschwemmungen, könnten politische Krisen auftreten. Andererseits könnte SAI auch durch den Klimawandel hervorgerufene Krisen abwenden oder mildern. Effektive Kompensationsmöglichkeiten für Folgeschäden gibt es zudem nicht, weshalb dringend internationale Haftungsregeln beschlossen werden müssten.

Eingriffe in den Strahlungshaushalt der Erde können nur als vorübergehende Notmaßnahme zur Abwendung katastrophaler Folgen der globalen Erwärmung angesehen werden. Sie können weder ein Ersatz für Emissionsreduktionen noch für CDR sein, da sie die CO2-Konzentrationen und damit auch deren direkte Folgen wie die Versauerung der Meere unberührt ließen. Einmal gestartet, müsste SRM so lange aufrechterhalten werden, bis niedrige CO2-Konzentrationen erreicht sind – eine Belastung für viele Generationen. Je nach Umfang des SRM-Einsatzes würde ein plötzlicher Ausstieg, etwa aufgrund großer Naturkatastrophen oder eines Weltkriegs, eine große Gefahr darstellen: Deutliche Klimaveränderungen innerhalb eine Dekade wären die Folge und würden die Ökosysteme und die Menschheit bedrohen. Daher wären geringe SRM-Einsätze in Kombination mit starker Mi­ti­ga­tion weniger gefährlich als sehr große SRM-Maßnahmen.

Es ist weitaus sicherer, CO2-Emissionen zu vermeiden, als die Folgen im Nachhinein zu beheben. Auch CDR-Maßnahmen werden nur erfolgreich sein, wenn gleichzeitig die Treibhausgasemissionen deutlich zurückgehen. Rasche und drastische Emissionsreduktionen müssen daher oberstes Ziel von Politik und Wirtschaft sein.

Ist Climate Engineering also die Lösung der Klimakrise? Die Antwort ist kompliziert. SRM könnte helfen, für eine bestimmte Zeit die Effekte des Klimawandels zu verringern. Allerdings müsste dies mit starker Mitigation und CDR verbunden werden, um die Abhängigkeit von diesen Anwendungen und damit auch die Risiken zu verringern. Die globale Mitteltemperatur der Erde ließe sich theoretisch regeln. Der Preis wäre jedoch neben dem Klimawandel ein weiteres Experiment mit ungewisser Effizienz und unwägbaren potenziellen Nebenwirkungen.

Partikel in den Abgasen der Schiffe führen unter bestimmten Bedingungen zur Bildung langgezogener Wolken, wie hier an der europäischen Atlantikküste. Dies könnte ein Modell für die künstliche Aufhellung (Marine Cloud Brightening) von niedriger Bewölkung als SRM-Maßnahme sein.