Der Ozean umspannt die Erde und ermöglicht das Leben auf ihr. Obwohl er riesig ist und wir mehr über den Mond wissen als über die Tiefsee, haben physikalische und biogeochemische Messungen in den vergangenen 150 Jahren grundlegende Erkenntnisse über die Weltmeere geliefert – etwa zu Umwälzungsbewegungen, Strömungen und ihren Antrieben. Die Vermessung des Ozeans ist weiterhin in vollem Gange, unter anderem, um seine Rolle im Klimasystem zu erforschen. Denn Veränderungen im Meer können den Klimawandel und die Lebensbedingungen im und außerhalb des Wassers beeinflussen. Auch deswegen nimmt der Bericht des Weltklimarats, der die Grundlage für die internationale Klimapolitik bildet, immer den Ozean mit in den Blick.

Durch die technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte steht der Wissenschaft ein ständig wachsendes vielfältiges Repertoire von Sensoren und Messmethoden für die Ozeanerkundung zur Verfügung. Seit Beginn der Beobachtungen bilden Schiffe das Rückgrat der experimentellen Ozeanforschung.
Deutschland besitzt eine hochmoderne Forschungsflotte, die mit dem Eisbrecher Polarstern Messungen im und unter dem Eis ermöglicht. Bei Expeditionen im globalen Ozean kommen die Schiffe Meteor, Maria S. Merian und Sonne (Schiff) zum Einsatz, und auch für die Küstenforschung sind weitere kleinere Schiffe vorhanden.
Messungen vom Forschungsschiff aus
Die Wissenschaftler:innen an Bord von Forschungsschiffen erfassen während der Fahrt eine große Anzahl von physikalischen und biogeochemischen Parametern. So müssen sie für das Verständnis von Ozeanströmungen Druck, Temperatur und Salzgehalt genau bestimmen. Das geschieht mit einer Sonde, die in der Fachsprache CTD (Conductivity-Temperature-Depth) heißt. Sie wird an einem Draht von der Wasseroberfläche bis zum Meeresboden herabgelassen und misst währenddessen die genannten Größen. Aus der Verteilung der Dichte in der Wassersäule an zwei Positionen kann das horizontale Gefälle der Dichte und des Drucks berechnet werden. Daraus lässt sich die geostrophische Geschwindigkeit ableiten, die die mittlere Geschwindigkeit zwischen diesen beiden Positionen repräsentiert.
Geostrophie: Auf der rotierenden Erde zeigen großräumige Bewegungen in Ozean und Atmosphäre ein Gleichgewicht zwischen horizontaler Druckgradientenkraft und Corioliskraft.
Eine weitere Methode, um die Ausbreitung von Wassermassen zu untersuchen, sind Spurengase wie FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe), die in geringen Mengen in der Atmosphäre vorkommen und sich an der Ozeanoberfläche im Wasser lösen. Ihre Konzentration in der Atmosphäre variiert von Jahr zu Jahr, und diese Änderungen werden ins Ozeaninnere transferiert. Dort werden die Gase weitgehend passiv mit den Ozeanströmungen mitgeführt. Demnach gibt die Konzentration der FCKW im Meereswasser Aufschluss darüber, wann eine Wassermasse zuletzt an der Oberfläche war. So lassen sich die Pfade und die Geschwindigkeit der Ausbreitung und sogar die Speicherung von anthropogenem Kohlendioxid untersuchen. Die Proben werden mit luftdichten Wasserschöpfern entnommen, die zusammen mit der CTD bis zum Ozeanboden hinabgelassen werden. Ein weiterer beispielhafter Parameter, der bei Schiffsexpeditionen erfasst wird, ist die Stärke der vertikalen Vermischung. Sie lässt sich mit Mikrostruktursonden messen, die räumlich kleinstskalige Fluktuationen von Temperatur und Geschwindigkeitsscherung mit einer Frequenz von etwa 1000 Hertz aufzeichnen.
Verankerte Messungen
Forschungsschifffahrten dienen auch dazu, verankerte Messgeräte auszubringen, zu bergen, zu warten oder zu testen. Zur Verankerung werden Sensoren an einem Seil befestigt und dieses mit einem Gewicht versehen, das eine bestimmte Position gewährleistet. Auftriebskugeln sorgen dafür, dass die Seile mit den Geräten aufrecht im Wasser stehen. Solche verankerten Messungen liefern längere Zeitreihen aus dem Ozeaninneren. Sie sind zum Beispiel interessant in Regionen, in denen starke räumlich mehr oder weniger fixierte Strömungen vorliegen – etwa im Bereich der westlichen Randströme, die kaltes Wasser aus hohen Breiten zum Äquator bringen. Die Geschwindigkeit dieser Strömungen misst man unter anderem mit akustischen Sensoren mithilfe des Dopplereffekts: Wird der ausgesendete Schall an passiv im Wasser schwebenden Teilchen reflektiert, so verändert sich die Frequenz, je nachdem, ob die Strömung die Teilchen auf den Sensor zu- oder von ihm wegtreibt.
Auch die klimarelevante atlantische Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) benötigt jahrzehntelange Zeitreihen und daher auch verankerte Sensoren. Bei den zwei am längsten beobachteten AMOC-Messungen zwischen Florida und Afrika bzw. zwischen Kanada und Europa werden Bodenecholote am Ozeanboden verankert, aus deren Messungen man indirekt die geostrophischen Strömungen berechnen kann. Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Zentrums GEOMAR (Kiel) beteiligen sich mit Strömungsmessungen am kanadischen Kontinentalabhang an der AMOC-Vermessung eines amerikanisch-europäischen Konsortiums (OSNAP). Das Messsystem reicht von Kanada über Grönland bis nach Europa. GEOMAR misst die wichtigsten AMOC-Strömungskomponenten auch im tropischen Atlantik. Die Vielzahl an AMOC-Messreihen verdeutlicht sowohl die noch vorhandenen Unsicherheiten als auch die Bedeutung der Zirkulation für das Klimasystem und die langfristige Vorhersagbarkeit des Ozeans (siehe auch „Der Ozean im Klimasystem“ auf Sei-te 111). Die AMOC gilt unter Klimawissenschaftler:innen deshalb als potenzieller Kipppunkt, dessen Eintreten dem Sonderbericht des Weltklimarats über Ozean und Kryosphäre aus dem Jahr 2019 zufolge unwahrscheinlich, aber physikalisch möglich ist.
Autonome Plattformen
Neben Verankerungen gibt es auch Messgeräte, die durch den Ozean treiben und dabei kontinuierlich Daten erfassen. Rund 4000 dieser autonomen Forschungsgeräte messen derzeit im Rahmen des internationalen Argo-Programms rund um den Globus Temperatur- und Salzgehalt in den oberen 2000 Metern des Ozeans. Seit etwa 2006 sind ausreichend viele solcher Floater vorhanden, um die Änderungen des Wärmegehalts des globalen Ozeans sehr viel genauer, als es vorher je möglich war, zu bestimmen. Das Programm soll erweitert werden um Floater, die die Wassersäule bis 4000 Meter Tiefe vermessen, und um flachere Varianten (bis 1000 Meter), die biogeochemische Parameter erfassen können.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden weitere autonome Plattformen entwickelt, die nicht nur passiv im Ozean treiben, sondern aktiv Regionen ansteuern und vermessen können. Für die physikalische Ozeanografie sind besonders die sogenannten Gleiter von Bedeutung. Diese Unterwasserroboter sind vergleichbar mit Segelflugzeugen. Sie können sich aufsteigend und absinkend im Ozean an beliebige Orte bewegen, um währenddessen eine Vielzahl verschiedener Parameter zu messen. Weltweit sind bis jetzt wenige Hundert Gleiter im Einsatz. Aktuell werden sie vor dem Aussetzen auf ein festes Messprogramm eingerichtet. Forschende an der Universität Bremen entwickeln aber auch neue Software, um den Gleiter ereignisabhängig zu steuern. Zum Beispiel könnte der Gleiter nach Entdecken eines Ozeanwirbels sich selbst anweisen, im Wirbel zu verharren und zusätzlich die Messfrequenz zu erhöhen.
Der Austausch zwischen Atmosphäre und Ozean sowie die Prozesse in dessen Oberflächenschicht werden auch mithilfe von sogenannten Wellengleitern untersucht. Wellengleiter ziehen aus dem Auf und Ab der Wellenbewegung Energie für eine Vorwärtsbewegung. So können sie entlang ihres Wegs Messungen an oder nahe der Grenzfläche zwischen Atmosphäre und Ozean durchführen. Eine andere Plattform für solche Messungen sind rund zwei Meter lange Segelboote – Saildrones –, die autonom Strecken abfahren und ebenfalls mit verschiedenen Sensoren bestückt werden können.
Fernerkundung
Um weltumspannend und kontinuierlich Daten zu erheben, sind Satelliten am besten geeignet. Sie können allerdings nur die Oberfläche und die obersten Bereiche des Ozeans vermessen und daher kaum Informationen aus den Tiefen des Meeres liefern. Besonders bedeutsam sind Messungen der Auslenkung der Oberfläche, die mit Altimetern vorgenommen werden. Diese messen per Laufzeitverschiebung eines Lasersignals, wie sich der Abstand zwischen der Ozeanoberfläche und dem Satelliten verändert. Aus diesen Daten lässt sich die geostrophische Geschwindigkeit an der Meeresoberfläche berechnen. In Kombination mit lokalen Geschwindigkeitsmessungen im Ozeaninneren (z. B. aus den Bodenecholotmessungen) erlaubt das Rückschlüsse auf den Zustand der gesamten Wassersäule. Altimetermessungen stehen kontinuierlich seit etwa 25 Jahren zur Verfügung und ermöglichen eine sehr gute Abschätzung der Erhöhung des Meeresspiegels in diesem Zeitraum. Der im Dezember 2023 gestartete Satellit SWOT (Surface Water and Ocean Topography) wird die Meereshöhe in einer zehnmal höheren räumlichen Auflösung als herkömmliche Satelliten liefern. Damit lässt sich mehr über die Rolle von kleinen Strukturen für den Austausch zwischen Atmosphäre und Ozean sagen. Satellitenmessungen stehen auch für die Oberflächentemperatur und den Salzgehalt sowie für eine wachsende Anzahl biogeochemischer Parameter zur Verfügung.
Isotope in der Geophysik

Chemische Elemente sind durch den Aufbau ihres Atomkerns bestimmt: Atome mit gleicher Protonenzahl gehören zum gleichen Element. Die anderen Kernbausteine – die Neutronen – können in abweichender Zahl vorliegen. Man spricht dann von Isotopen. Verschiedene Isotope eines Elements kommen in unterschiedlicher Häufigkeit vor: So ist beispielsweise Kohlenstoff, der immer sechs Protonen besitzt, mit acht Neutronen (das C-14) viel seltener als Kohlenstoff mit sechs Neutronen (C-12). Das Isotopenverhältnis einer Materialprobe ändert sich aber auch je nachdem, was ein Stoff „durchgemacht“ hat und in welcher Struktur man ihn vorfindet. Die bekannteste Anwendung, die dies nutzt, ist wohl die Datierung von archäologischen Funden anhand des Verhältnisses zwischen C-12 und C-14, weil letzteres radioaktiv zerfällt.
Hochpräzise Messungen stabiler und radioaktiver Isotope eröffnen deshalb stetig neue Anwendungen in den Umweltwissenschaften – nicht zuletzt dank einer rasanten technischen Entwicklung von Massenspektrometern, Laserspektrografen und neuerdings Atomfallen-Technologien. Mobile isotopenaufgelöste Laserspektroskopie erlaubt es, den Transport von Kohlenstoff und Wasser in der Atmosphäre, im Boden und im Ozean genau zu quantifizieren. Isotopenbilanzen von Kohlenstoff, Sauerstoff oder Stickstoff werden heute sogar in globale Klimamodelle eingebettet. In der Ozeanografie sind die Isotope von Helium und Neon für die Untersuchung von ozeanischen Wassermassen ein unerlässliches Werkzeug. Sie erlauben beispielsweise, den Anteil von glazialem Schmelzwasser abzuschätzen sowie eine zeitlich gemittelte regionale Meereis-Bildungsrate daraus abzuleiten.
Mit der Untersuchung von radioaktiven Isotopen lassen sich die Verweilzeit eines Stoffs in einer Probe und damit deren Alter bestimmen. Je älter das untersuchte Material (Meerwasser, Gletschereis, Sediment, Gestein), desto geringer wird der Anteil des radioaktiv zerfallenden Isotops. Ein Beispiel dafür ist Radiokohlenstoff (C-14, s. o.), der auch zur Altersbestimmung von Sedimentproben benutzt wird. Bei der Datierung von Grundwasser kommt das radioaktive Wasserstoffisotop Tritium zum Einsatz, das durch Atomwaffentests in großen Mengen in die Atmosphäre eingebracht wurde und heute aus der Wiederaufbereitung von Brennelementen stammt.
Norbert Frank, Oliver Huhn und Monika Rhein