Wetter und Klima werden durch viele ineinandergreifende physikalische Prozesse bestimmt. Die Dynamik der Atmosphäre und damit das Wetter ändert sich innerhalb weniger Tage. Dagegen variiert die Oberflächentemperatur der Ozeane, als Indikator für die Klimadynamik, nur langsam über Monate bis hin zu mehreren Jahrzehnten. Auch räumlich erstrecken sich die Skalen von der Bildung von Regentropfen und Eiskristallen in Wolken über kontinentale Wettersysteme bis hin zu globalen Ozeanströmungen. Wesentliche Freiheitsgrade und Interaktionen von Wetter und Klima zu identifizieren sowie in Modellen und Computersimulationen mit Vorhersagekraft abzubilden, ist ein großer Erfolg der letzten Jahrzehnte. Für ihre theoretischen Arbeiten zur Klimaforschung und zur Physik ungeordneter Systeme erhielten Syukuro Manabe, Klaus Hasselmann und Giorgio Parisi daher den Nobelpreis für Physik 2021.
Manabe erkannte als Erster im komplexen Klimasystem drei Schlüsselprozesse, um die Auswirkung der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre auf die Erderwärmung theoretisch vorherzusagen: So erfolgt Energietransport nach unten durch kurzwellige Sonnenstrahlung, dagegen nach oben durch langwellige terrestrische Strahlung zusammen mit dem vertikalen Wärmetransport durch Konvektion in der Atmosphäre. Eine Erhöhung des Treibhausgases Kohlendioxid reduziert die terrestrische Energieabstrahlung und führt zur direkten Erhöhung der Temperatur in der Atmosphäre. Die damit einhergehende Erhöhung des Wasserdampfgehalts verstärkt den Treibhauseffekt zusätzlich.
Manabe prognostizierte aufgrund dieser drei Schlüsselprozesse bereits 1967, dass eine Verdopplung der mittleren Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre zu einer Erhöhung der mittleren Oberflächentemperatur um 2,4 Grad führt. Dieser Wert liegt nahe an dem, was heutzutage viel detailliertere Modelle berechnen. Auch der vorhergesagte „vertikale Temperatur-Fingerabdruck“ ist durch Sonden- und Satellitenmessungen inzwischen global belegt.
Klaus Hasselmann gelang zuerst eine Erklärung der beobachteten, langsamen Klimaschwankungen. 1963 hatte der Meteorologe Edward Lorenz entdeckt, dass die Atmosphärenbewegung chaotisch ist, was langfristige Wettervorhersagen prinzipiell unmöglich macht. Hasselmann interpretierte die schnelle chaotische Wetterdynamik in seiner Wirkung auf das langsame Klima als zufälliges Rauschen. Dieser Perspektivwechsel war die erste Formulierung eines stochastischen Klimamodells. Hasselmann zeigte so, dass die Ursache für natürliche Klimaschwankungen das schnelle Wetterrauschen ist.
Wie kann man aber den Klimawandel an den viel größeren, durch Wetterwechsel verursachten Messsignalen ablesen? Hasselmanns richtungsweisender Vorschlag bestand darin, einerseits nach typischen Veränderungsmustern in Wetterbeobachtungsdaten aus den letzten Jahrzehnten zu suchen. Diese Muster wurden andererseits nun mithilfe vielfach getesteter Modelle untersucht: Zeigten sie sich in den Modellsimulationen ohne Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen nicht, so belegte dies einen Zusammenhang zwischen der Änderung der Treibhausgaskonzentration und der Erderwärmung. Die Methode der Entdeckung und Zuschreibung von Entwicklungen von Klimagrößen hat sich inzwischen zu einem eigenständigen Bereich auch in der Klimaforschung entwickelt, der Attributionsforschung.
Giorgio Parisi hatte sich einem weiteren Problem gewidmet: In den 1950er-Jahren waren Spin-Gläser entdeckt worden – verdünnte magnetische Legierungen, die aus nichtmagnetischen Metallen wie Kupfer, Silber oder Gold bestehen. Ihnen sind geringe Mengen magnetischer Atome beigemischt. Anders als in einem magnetischen Material wie Eisen, in dem sich die atomaren magnetischen Momente gleich ausrichten, herrscht in Spin-Gläsern auf mikroskopischer Ebene Unordnung: Aufgrund der Wechselwirkung mit den Fremdatomen sind die atomaren magnetischen Momente scheinbar zufällig ausgerichtet, was zu komplexen und zunächst rätselhaften Eigenschaften dieser Materialien führt. Parisi gelang es, dieses komplexe Zusammenspiel mathematisch zu beschreiben. Die wesentliche Idee sei, „dass es in dieser Art von Systemen mehrere Gleichgewichte gibt”, so der Physiker.
Parisis Theorie lässt sich auf viele verschiedene und scheinbar völlig zufällige Materialien und Phänomene anwenden – nicht nur in der Physik, sondern auch in anderen, sehr unterschiedlichen Wissenschaften wie der Mathematik, der Biologie, den Neurowissenschaften und dem maschinellen Lernen. Nicht zu vergessen sind auch Parisis fundamentale Anstöße zur Theorie zur stochastischen Resonanz bei sehr langfristigen Klimaänderungen oder zum komplexen System der Vogelschwärme.