WIRKUNG
Quantenwelt

Die Quantenwelt erschließen

Am Eingang zur Quantenwelt stand im Jahr 1900 Max Plancks berühmte Formel E = h ⋅ ν . Sie gibt den Energieinhalt eines Lichtquants oder Photons bei der Frequenz ν an. Die Planck-Konstante h = 6,626 070 15 ⋅ 10−34 J s (vormals der Einheit wegen Plancksches Wirkungsquantum genannt) ist gemessen an unseren menschlichen Größen winzig: Die Quantenphysik und h regieren die mikroskopische Welt!

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Am Eingang zur Quantenwelt stand im Jahr 1900 Max Plancks berühmte Formel E=h⋅ν. Sie gibt den Energieinhalt eines Lichtquants oder Photons bei der Frequenz ν an. Die Planck-Konstante h = 6,62607015 ⋅ 10−34Js (vormals der Einheit wegen Plancksches Wirkungsquantum genannt) ist gemessen an unseren menschlichen Größen winzig: Die Quantenphysik und h regieren die mikroskopische Welt! Experimentelle Einsichten in die Welt der Atome und unerwartete Entdeckungen wie die des halbzahliger Spins hatten junge Physiker der 1920er-Jahre angeregt, mit der Quantenmechanik eine ganz neue Art von physikalischer Theorie zu erfinden. Die Propagation von Wahrscheinlichkeitswellen und eine statistische Interpretation der Vorhersageleistung dieser Theorie traten an die Stelle von klassischen Bahnbeschreibungen mit Ort und Impuls wie bei der Planetenbewegung. Die Physik musste zur Kenntnis nehmen, dass mikroskopische physikalische Systeme sowohl wellenartige als auch teilchenartige Eigenschaften zeigen, je nachdem, wie die Beobachtung eingerichtet ist. Das berühmte Doppelspaltexperiment von Young, dessen Interferenzmuster Atom für Atom oder Elektron für Elektron in statistischer Weise aufgebaut wird, mag als Schlüsselexperiment gelten (siehe Seite 24).

Einerseits waren und sind unsere – makroskopischen – Sinne auf derartige Konzepte gar nicht vorbereitet. Deshalb stellt die Quantenwelt unser Denken, insbesondere unser Verlangen nach Anschauung, bis heute auf eine harte Probe. Andererseits ist die Quantenphysik die am intensivsten getestete Theorie der Welt. Sie hat bisher ausnahmslos allen Bemühungen widerstanden, Widersprüche oder Schwächen zu identifizieren. Zahlreiche herausfordernde Gedankenexperimente – Youngs Doppelspalt mit Elektronen und Atomen, die Speicherung einzelner Ionen und Atome, die Beobachtung von Quantensprüngen und mehr – sind im Laufe der Jahrzehnte im Labor realisiert worden, und haben die oft verblüffenden Quantenphänomene immer wieder bestätigt und zugleich eindrucksvoll illustriert.

Die wellenartige Bewegung mikroskopischer Teilchen führt beim Einsperren zu diskreten (stufenhaften) Energiezuständen ähnlich den Naturtönen eines Jagdhorns. Die Überlagerung (Superposition) von Quantenzuständen ist die Grundlage von Atomuhren, der Magnetresonanztomografie (MRT) und vielen neuartigen Quantensensoren. Schrödingers berühmte Katze fragt als Karikatur der Quantenwelt danach, unter welchen Bedingungen wir Überlagerungen beobachten können. Verschränkung treibt die Überlagerungszustände ins Extrem: Zwei oder mehr Teilchen können eine gemeinsame Wellenfunktion besitzen, die ihren Gesamtzustand, aber nicht ihre individuellen Eigenschaften festlegt. Die Messung an einem von zwei miteinander verschränkten Teilchen legt auch die Eigenschaften seines möglicherweise weit entfernten Partners bei der dortigen Messung fest. Die Teilcheneigenschaften sind dabei strenger als in der klassischen Physik miteinander korreliert – als ob es eine Fernwirkung gäbe! Glücklicherweise wird die Kausalität durch solche Messungen nicht infrage gestellt – die einzelnen Messergebnisse sind statistisch verteilt und können keine Information übertragen.

„QM ist dann, wenn Systeme interferieren können. Das ist der Fall, wenn die Dichtematrix Nichtdiagonalterme hat. Mir ist nicht klar, wie man das alltagssprachlich formulieren kann.“
aus dem E-Mail-Austausch bei der Diskussion über diesen Text

Zur Quantenwelt gehören übrigens nicht nur die winzigen Bausteine der Materie, auch kollektive Phänomene wie Supraleitung und Laserstrahlung benötigen zur Erklärung die Quantenphysik. Solche Systeme bestehen aus extrem vielen Teilchen und heißen auch makroskopische Quantenzustände.Diese Zustände können wir nämlich direkt wahrnehmen.

Wir verdanken den langjährigen experimentellen Anstrengungen zur Aufklärung und Illustration faszinierender Quantenphänomene eine derart präzise experimentelle Kontrolle zahlreicher Quantensysteme von einzelnen Atomen bis zu supraleitenden Schwingkreisen (Transmonen), dass wir die Quantenwelt nicht nur als Ideengebäude, sondern immer mehr auch für technologische Anwendungen erschließen, die wir in den folgenden Artikeln vorstellen. Atome, Ionen, Photonen oder supraleitende Schwingkreise und andere Strukturen speichern Qubits, die elementaren Einheiten der Information in der Quantenwelt. Aus den Überlagerungszuständen dieser Qubits (die es in der klassischen Welt der Bits „0“ und „1“ nicht gibt) der klassischen Bitwerte „0“ und „1“ gewinnen wir Informationen über externe physikalische Größen wie Magnetfelder, oder wir nutzen sie als Rechenregister in Quantenalgorithmen. Photonen transportieren Qubits und können verschiedene Quantensysteme miteinander verschränken. Die Aussicht auf technologische Anwendungen profitiert deshalb stark von experimentellen Fortschritten in der Photonik und der Quantenoptik. Quantensensoren wie Atominterferometer oder quantensichere Verschlüsselungsgeräte sind als Prototypen schon breit verfügbar, und auch die Arbeit am Quantencomputer und Quantensimulator kommt dem Anspruch von Richard Feynmans Verdikt immer näher: „Die Natur ist nicht klassisch, verdammt noch mal, und wenn wir die Natur simulieren wollen, sollten wir es besser quantenmechanisch versuchen.“ (engl. „Nature isn’t classical, dammit, and if you want to make a simulation of nature, you’d better make it quantum mechanical”, 10.1007/BF02650179).

Ein quantenmechanisches Logikgatter sorgt dafür, dass zwei Photonen miteinander in Wechselwirkung treten können – eigent­lich durchdringen sie sich nämlich ungestört. Die Photonen (blau) treffen nacheinander von rechts auf den teildurchlässigen Spiegel eines Resonators, in dem ein einzelnes Rubidiumatom (symbolisiert durch ein rotes Kügelchen mit gelben Elektronenorbitalen) gespeichert ist. Das Atom im Resonator spielt die Rolle eines Mediators, der zwischen den zwei Photonen eine deterministische Wechselwirkung vermittelt. Das Schema im Hintergrund fasst das vollständige Gatterprotokoll zusammen.

Dieter Meschede