WIRKUNG
Technologien

Energie aus Kernfusion

In Fusionslaboren weltweit werden Plasmen erforscht, die heißer sind als die Sonne. Sie sollen künftig als ergiebige Energiequelle dienen. Die Fusionsforschung zielt auf ein grundlegendes Verständnis und die Optimierung des Fusionsplasmas.

Vorabversion

Neben Sonne und Wind könnten zukünftig auch Fusionskraftwerke ein Baustein einer sicheren Energieversorgung sein. Die Energie wird dabei aus der Verschmelzung (Fusion) von Deuterium (D) und Tritium (T) – zwei Varianten des Wasserstoffs – zu Helium gewonnen. Ein einziges Gramm dieses Brennstoffs kann potenziell so viel Energie erzeugen wie elf Tonnen Braunkohle! Der Haken: Diese Reaktion läuft in Hochtemperaturplasmen bei Temperaturen von 100 Millionen Grad Celsius ab – das Plasma muss also unter entsprechendem Energieaufwand erstmal geheizt werden und die Energie aus diesem heißen Plasma abgeführt.

Die zweite Herausforderung ist der Einschluss des Plasmas. Es darf möglichst nicht mit den Gefäßwänden in Kontakt kommen, da es sonst schnell abkühlen oder gar die Gefäßwand schmelzen würde. Für den Einschluss gibt es zwei grundlegende Konzepte: In der Laser- oder Trägheitsfusion werden gefrorene D-T-Kügelchen durch Laserpulse zu einem dichten, heißen Plasma komprimiert. Ein solches Plasma setzte im Jahr 2022 erstmals mehr Fusionsenergie frei, als zum Heizen aufgewandt wurde. Dem Ziel eines Kraftwerkes näher ist die Magnetfusion, bei der das Plasma in einem donutförmigen Magnetfeld eingeschlossen wird. Die entsprechenden Anlagen heißen Stellaratoren (in Anlehnung an die Fusion in Sternen) und Tokamaks.

Tokamak

Neben Sonne und Wind könnten zukünftig auch Fusionskraftwerke ein Baustein einer sicheren Energieversorgung sein. Die Energie wird dabei aus der Verschmelzung (Fusion) von Deuterium (D) und Tritium (T) – zwei Varianten des Wasserstoffs – zu Helium gewonnen. Ein einziges Gramm dieses Brennstoffs kann potenziell so viel Energie erzeugen wie elf Tonnen Braunkohle! Der Haken: Diese Reaktion läuft in Hochtemperaturplasmen bei Temperaturen von 100 Millionen Grad Celsius ab – das Plasma muss also unter entsprechendem Energieaufwand erst mal geheizt und die Energie aus diesem heißen Plasma abgeführt werden.

Die zweite Herausforderung ist der Einschluss des Plasmas. Es darf möglichst nicht mit den Gefäßwänden in Kontakt kommen, da es sonst schnell abkühlen oder gar die Gefäßwand schmelzen würde. Für den Einschluss gibt es zwei grundlegende Konzepte: In der Laser- oder Trägheitsfusionwerden gefrorene D-T-Kügelchen durch Laserpulse zu einem dichten, heißen Plasma komprimiert. Ein solches Plasma setzte im Jahr 2022 in einem Kügelchen erstmals mehr Fusionsenergie frei, als Heizenergie in das Kügelchen deponiert wurde. Dem Ziel eines Kraftwerks näher ist die Magnetfusion, bei der das Plasma in einem donutförmigen Magnetfeld eingeschlossen wird. Die entsprechenden Anlagen heißen Stellaratoren (in Anlehnung an die Fusion in Sternen) und Tokamaks.

Tokamak

Die beiden Konzepte unterscheiden sich darin, wie die spiralförmig verdrillten Magnetfeldlinien erzeugt werden, die das Plasma einschließen. Im Tokamak induziert ein Transformator einen hohen Plasmastrom, der die Windungen im Feld erzeugt, was nur bei gepulstem Plasmabetrieb funktioniert. Durch ihren relativ einfachen Aufbau sind Tokamaks im Vergleich zu anderen Konzepten am weitesten entwickelt. Die derzeit größte Fusionsanlage ist der europäische Tokamak JET in Culham (Großbritannien). Dort wurde 2021 ein Weltrekord für erzeugte Fusionsenergie erzielt. Als nächsten Entwicklungsschritt baut ein internationales Konsortium seit 2007 den Tokamak ITER in Cadarache (Frankreich). ITER soll zehnmal so viel Fusionsleistung erzeugen, wie an Heizleistung investiert werden muss. Dazu soll sich das Plasma erstmals durch bei der Reaktion erzeugte Heliumkerne (α-Teilchen) im Wesentlichen selbst heizen.

Mit einer Gesamthöhe von 30 Metern und einem Plasmaradius von 6,2 Metern wird der Tokamak ITER in Südfrankreich die erste Magnetfusionsanlage sein, die mehr Fusionsleistung erzeugen kann, als an Heizleistung investiert werden muss.

Solch ein brennendes Plasma entsteht nach Überschreitung eines Schwellenwertes für das Produkt aus Plasmadichte, -tem­pe­ra­tur und der Energieeinschlusszeit – also der Zeit, in der der Energieinhalt aufrechterhalten werden kann. Ausreichend hohe Dichten und Temperaturen werden schon heute erreicht, sodass die Energieeinschlusszeit die letzte zu optimierende Größe der Magnetfusion ist. Die Einschlusszeit hängt von Transportprozessen ab, durch die das Plasma Energie verliert. Aufgrund seiner Rotationsymmetrie schließt das Magnetfeld eines Tokamaks die Plasmateilchen ideal ein.

Das MPI für Plasmaphysik (IPP) in Garching betreibt ASDEX Upgrade (AUG), dessen Plasma und andere wichtige Komponenten denen in den größeren Anlagen JET und ITER gleichen. So können in AUG und JET Untersuchungen auf kleinerer Größenskala, aber mit gleicher Geometrie, vorgenommen werden (Stufenleiterexperimente), die den Betrieb von ITER vorbereiten.

Stellarator

Beim Stellarator erzeugen Spulen, die deutlich komplexer als beim Tokamak geformt sind, die geeignete Magnetfeldkonfiguration ohne einen zusätzlichen Stromfluss durchs Plasma. Bahnbrechende Experimente an Wendelstein 7-AS und seinem Nachfolger Wendelstein 7-X (seit 2015) haben gezeigt, dass modulare Stellaratoren durch Optimierung auch Reaktorplasmen einschließen können. Der Aufbau von Wendelstein 7-X am IPP-Standort Greifswald war eines der komplexesten und faszinierendsten Wissenschaftsprojekte der jüngeren Zeit. Die erfolgreiche Demonstration der Optimierung und die erreichten Höchstwerte in den Plasmaparametern für Stellaratoren sind Meilensteine der Fusionsforschung.

Wendelstein 7-X in Greifswald ist der modernste und leistungsfähigste Stellarator der Welt. Mit seinen supraleitenden Magnetspulen soll er mit einem 30-Minuten-Plasma den Dauerbetrieb simulieren.

Die ungewöhnliche Geometrie der Magnetfeldlinien im Stellarator führt zu Teilchenbahnen, die direkt vom Innern des Plasmas bis zur Wand führen. Experimente in Wendelstein 7-X zeigten, dass daraus resultierende Teilchenverluste in Übereinstimmung mit der Theorie weitgehend unterdrückt werden können. Ein Stellaratorreaktor benötigt allerdings einen weiteren Optimierungsschritt, durch den Verluste an stoßfreien α-Teilchen weiter reduziert werden müssen.

Plasmaturbulenz

Wie lange die Energie im Plasma aufrechterhalten werden kann, hängt auch vom turbulenten Transport in dem Medium ab. 1982 konnte Plasma durch ein zusätzliches Magnetfeld in einen dafür günstigeren Modus gebracht werden – die H-Mode (H steht für High Confinement). Dies gelang, weil das Plasma in eine besondere geometrische Form überführt wurde, die unten nicht rund, sondern spitz war. Der Kontakt zwischen Plasma und Wand wurde auf einen speziellen Bereich, nämlich den Divertor, eingeschränkt. Dabei verschwanden die Turbulenzen am Plasmarand. Durch die neue Form entstand eine Transportbarriere, und die mögliche Einschlusszeit verdoppelte sich. Die Entwicklung gelang an ASDEX, dem Vorgänger von ASDEX Upgrade, in Garching.

Die H-Mode gehört zu den wichtigsten Entdeckungen der Fusionsforschung und ist bis heute Grundlage von Szenarien für ITER- und Reaktorplasmen. Die Transportbarriere entsteht, weil Turbulenzen durch Scherströmungen am Plasmarand unterdrückt werden. Hochauflösende Messungen offenbarten in den vergangenen Jahren, dass diffusive Transportverluste durch Stöße von Teilchen untereinander indirekt zur Bildung der H-Mode beitragen: Um zu verhindern, dass Ionen schneller als Elektronen aus dem Plasma diffundieren, entsteht ein elektrisches Feld und damit eine die Turbulenz unterdrückende Plasmaströmung. Dies ist ein faszinierendes Beispiel für die Kopplung von diffusivem und turbulenten Transport.

Erst mit ausreichend leistungsfähigen Computer wurde es möglich, den turbulenten Transport auch theoretisch zu erfassen. Die Herausforderung dabei ist, dass zwischen den Zeitbereichen, auf denen die Prozesse der Elektronen, der Ionen und der Mikroinstabilitäten ablaufen viele Größenordnungen liegen. In einer Vergleichsstudie wurden kürzlich Höchstleistungssimulationen anhand detaillierter Messungen der Turbulenzparameter an ASDEX Upgrade auf ihre Anwendbarkeit überprüft. Dies war ein wichtiger Schritt für die zuverlässige Vorhersage der Einschlusszeit von Fusionsplasmen. Die mit den Simulationen erreichte quantitative Beschreibung des turbulenten Transports gehört zu den Erfolgsgeschichten der Fusionsforschung.

Am Rand des Fusionsplasmas bilden sich periodisch wiederkehrende Eruptionen aus. Diese „ELMs“ treten auf, wenn das Plasma in der H-Mode betrieben wird. Sie können mit modernen Programmen simuliert werden. Da ELMs die Wand stark belasten, zielen aktuelle Experimente auf ihre Unterdrückung unter Beibehaltung des guten Einschlusses der H-Mode ab.

Leistungsabfuhr und Plasmawandwechselwirkung

Nicht nur die Form, sondern auch die Beschaffenheit der äußeren Gefäßwand beeinflusst das Plasma: Günstig scheinen Materialien aus Elementen mit wenigen Protonen im Kern zu sein. Deshalb sind viele Fusionsanlagen mit einer Wand aus Kohlenstoff (Grafit) mit seinen sechs Protonen ausgestattet. Kohlenstoff zeigt allerdings eine hohe Erosionsrate und lagert auch Tritium, also einen Bestandteil des Plasmas, ein. Es war ein mutiger und wegweisender Schritt, als in ASDEX Upgrade die Kohlenstoffwand sukzessive durch Wolfram mit beachtlichen 74 Protonen ersetzt wurde. Jetzt ist dieses Material sogar für die innere Wand von Fusionsreaktoren vorgesehen. Grundlage des erfolgreichen Plasmabetriebs mit Wolfram war die Entwicklung von Plasmaszenarien, in denen die Plasmatemperatur direkt vor der Wand stark absenkt werden konnte.

Ohne zusätzliche Maßnahmen würde ein Großteil der Fusionsleistung in einem schmalen Ring auf die Wolframoberfläche treffen und diese beschädigen. Diese Gefahr lässt sich durch dosierte Zugabe von Verunreinigungen zum Plasma eindämmen. Gase wie Stickstoff oder Argon sind am Plasmarand nicht vollständig ionisiert und strahlen, nach Elektronenstoßanregung, ausreichend Energie als Licht ab. Sie kühlen das Plasma so auf harmlose Temperaturen ab, bevor es auf die Wand trifft. Parallel ließ sich der Divertor – also der hitzebeständigste Teil des Vakuumgefäßes, an dem überschüssige (bzw. in späteren Kraftwerken erwünschte) Energie kontrolliert abgeführt wird – so optimieren, dass die Verunreinigungen am Zurückströmen in das Plasma gehindert werden.

Ein neues, erst 2022 an ASDEX Upgrade entdecktes Phänomen kann sehr effektiv und kontrolliert weitere Kühlung bringen: Es handelt sich um einen intensiv strahlenden Ring im Bereich des sogenannten magnetischen X-Punkts. Dies ist der Punkt oberhalb des Divertors, wo sich die Grenzlinien des Magnetkäfigs am äußeren Plasmarand schneiden. Derzeit untersuchen Forschungsgruppen diesen X-Punkt-Strahler genannten Effekt sowohl experimentell als auch mit numerischen Simulationen. Setzt man ihn geschickt ein, könnte er den Bau kleinerer und technisch einfacherer Reaktoren ermöglichen.

Ausblick

Nach Jahren der Forschung ist das Verständnis des Fusionsplasmas so weit fortgeschritten, dass die Errichtung eines ersten Fusionskraftwerks in greifbare Nähe gerückt ist. Ein europäisches Team hat mit Planungen für den Tokamak-Reaktor DEMO begonnen. Parallel dazu optimieren Wissenschaftler:innen die Eigenschaften für Stellaratoren, damit auch dieses Bauprinzip für Kraftwerke infrage kommen könnte. In Kooperationen unterstützen Forschungsinstitute zudem private Start-ups, die bereits aktiv den Bau von Kraftwerken planen.

Frank Fleschner und Ulrich Stroth