WISSEN
Grenzen überwinden

Hinaus ins All!

Zahlreiche Satellitenmissionen erkunden unser Sonnensystem, Weltraumteleskope erblicken Planeten um andere Sterne, und die astronautische Raumfahrt steht vor einer Renaissance. Dabei reicht die Rolle der Weltraumexploration von der wissenschaftlichen Grundlagenforschung über Technologiedemonstrationen unter extremen Umweltbedingungen bis hin zu Plänen für die kommerzielle Nutzung, z. B. der Ressourcengewinnung auf anderen Himmelskörpern.

Vorabversion

Die Erde ist der einzige bislang bekannte Planet, auf dem sich Leben entwickelt hat. Ob dies die Erde wirklich einzigartig macht oder ob wir (vergangenes oder aktuelles) Leben auch anderswo nachweisen können, gehört zu den grundlegend­sten Fragen der Erforschung des Weltraums. Für ihre Beantwortung gilt es, die Entwicklung geeigneter Umweltbedingungen nicht nur auf der Erde zu verstehen, sondern auch für andere Planeten. Dazu müssen verschiedenste physikalische Prozesse untersucht werden, von der Entstehung der Planeten und ihrer Entwicklung über die Wechselwirkung einer möglichen Biosphäre mit der Planetenoberfläche und -atmosphäre bis hin zur Identifizierung von Signalen, die als Zeichen von Leben interpretiert werden können.

Verschiedene Marsmissionen haben gezeigt, dass der frühe Mars zumindest zeitweise flüssiges Oberflächenwasser besaß – heute hat er nur eine dünne CO2-Atmosphäre und eine trockene Oberfläche. Warum diese günstigen Umweltbedingungen verschwunden sind und ob damals Leben entstanden sein könnte, sind zentrale Fragen der Marsforschung. Im anderen Extrem ist die Venus mit einem 90-mal so hohem Oberflächendruck wie an der Erdoberfläche, einer fast reinen CO2-Atmosphäre und Temperaturen von über 700 K zu heiß und zu unwirtlich für Leben. Ob dies aber schon immer so war, kann nur mit weiteren Untersuchungen ihrer geologischen und thermischen Entwicklung geklärt werden. Auch im äußeren Sonnensystem gibt es potenzielle Lebensräume. Zu den überraschendsten Entdeckungen der Galileo-Mission (NASA, 1989–2003) gehörten Hinweise auf große Mengen flüssigen Wassers unter den kilometerdicken Eiskrusten auf den Jupitermonden Europa und Kallisto. Heute geht man davon aus, dass mehrere der großen Monde im äußeren Sonnensystem solche Ozeane unter ihren Eiskrusten beherbergen. Die genaue physikalische Beschreibung von Eismonden ist daher ein weiteres zentrales Thema der Planetenforschung.

Die kleinen Körper im Sonnensystem – Kometen und As­te­ro­id­en – geben Auskunft über die Prozesse der Planetenbildung. Sie bestehen noch heute weitgehend aus dem Material, aus dem die Planeten und Monde entstanden sind. Kometen sind wegen ihres hohen Gehalts an flüchtigen Stoffen (vor allem Wasser) besonders interessant. Asteroiden werden als mögliche Rohstoffquellen diskutiert. Darüber hinaus stellen Asteroiden, die die Erdumlaufbahn kreuzen, eine latente Bedrohung für die Erde dar, für die Abwehrmaßnahmen erforscht werden.

Die Eiskappe am Mars-Südpol bei Frühlingsbeginn, aufgenommen von Mars Express

Seit der Entdeckung von Planeten um andere sonnenähnliche Sterne Mitte der 1990er-Jahre wissen wir, dass unser Sonnensystem nur eines unter vielen ist. Unter den ca. 5000 bis heute bekannten Exoplaneten (siehe auch „Allein im Univer-sum“ auf Seite 281) befinden sich viele mit unerwarteten Eigenschaften, aber kein Planetensystem, das unserem gleicht. Unser Wissen ist jedoch durch die derzeit möglichen Messmethoden prinzipiell stark eingeschränkt. Das erste Weltraumteleskop für die Suche nach Exoplaneten (CoRoT, CNES/ESA, 2006–2014) entdeckte den ersten terrestrischen Planeten außerhalb des Sonnensystems (CoRoT-7b). Dieser ist mit Temperaturen über 1000 °C aber zu heiß für Leben. Die Suche nach potenziell Leben tragenden Planeten ist ein zentrales Thema heutiger und künftiger Weltraumteleskope, wie z. B. der PLATO-Mission der ESA (Start für 2026 geplant). Um Spuren von Leben auf einem fremden Planeten außerhalb des Sonnensystems zu entdecken, werden über das James-Webb-Teleskop (seit 2023) und die zukünftige ESA Mission ARIEL (geplant 2029) hinaus weitere große Weltraumteleskope in den folgenden Dekaden benötigt.

An vielen Stellen entlang der sogenannten Tigerstreifen in der Nähe des Südpols des Saturnmonds Enceladus schießen große und kleine Wasserfahnen aus Eis und Dampf aus der Oberfläche. Bei den Tigerstreifen handelt es sich um vier markante, etwa 135 Kilometer lange Risse, die das Südpolgebiet des Saturnmondes durchziehen.

Raumsonden

Ein Großteil des Wissens, das wir heute über die Planeten des Sonnensystems, ihre Monde und alle anderen Objekte haben, basiert auf den Daten, die Raumsonden vor Ort gewonnen haben. Die Erforschung des Sonnensystems mit unbemannten Weltraummissionen begann bereits in den 1960er-Jahren mit den Ranger- und Luna-Missionen zum Mond und setzte sich dann mit den Marsmissionen Mariner und Mars Express fort. Bis heute haben Raumsonden jeden Planeten im Sonnensystem mindestens einmal besucht. Waren die ersten Missionen noch stark von der Rivalität des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion getrieben, traten nach und nach mehr Nationen als Raumfahrtnationen in Erscheinung. Heute kann man auf eine Vielzahl erfolgreicher Missionen zahlreicher Raumfahrtagenturen aus Europa (z. B. Giotto, Mars Express, Rosetta, BepiColombo, Solar Orbiter), Japan (z. B. Muses, Hayabusa-1/2 mit europäischem Beitrag MASCOT), Indien (z. B. Chandrayaan-Programm) oder China (z. B. Chang’e-Programm) zurückblicken. Ein langfristiges Ziel der meisten Erkundungsmissionen ist seit jeher die Rückführung von Boden- oder Gesteinsproben von anderen Himmelskörpern zur genauen Analyse in irdischen Laboren. Bisher ist dies für den Mond (Apollo, Luna, Chang‘e) sowie für Asteroiden (Hayabusa-1/2, OSIRIS-REx) und Kometen (Stardust) gelungen. Der nächste große Meilenstein in der Exploration wird die Rückführung von Proben vom Mars sein. Die NASA und die ESA entwickeln derzeit eine solche Mission, die in den 2030er-Jahren vom NASA-Rover Mars2020 gesammelte Proben zur Erde zurückbringen soll.

Die Methanseen auf dem Saturnmond Titan wurden mit der Raumsonde Cassini genau kartografiert.

Im kommenden Jahrzehnt erwarten wir nicht nur mehrere Missionen zum Mars (ExoMars Rover, Mars Sample Return), sondern auch Flüge zum Jupiter mit seinen vielen Monden. Dorthin ist die europäische Mission JUICE im Jahr 2023 gestartet, und die NASA-Mission Europa Clipper folgte im Oktober 2024. Auch Missionen zur Venus sind in der Entwicklung (EnVision der ESA, sowie die Missionen VERITAS und DAVINCI der NASA). Athena und PLATO stehen auf der Liste der zukünftigen Missionen, die unseren Blick über das Sonnensystem hinaus erweitern. Bei den erwähnten Missionen handelt es sich nur um eine Auswahl vergangener und laufender wissenschaftlicher Erkundungsbemühungen.

Die Mission PLATO (PLAnetary Transits and Oscillations of stars) der europäischen Weltraumagentur ESA soll Ende 2026 starten. Ihr Ziel ist es, Gesteinsplaneten in der bewohnbaren Zone um sonnenähnliche Sterne aufzuspüren und deren Größe, mittlere Dichte und Alter genau zu bestimmen. Das PLATO-Instrument besteht aus 26 Einzelkameras, die jeweils über mindestens zwei Jahre zwei große Bereiche des Himmels nach Planeten absuchen. Es misst winzige Schwankungen in der Helligkeit von Sternen, die durch Planeten verursacht werden, die sie umkreisen und dabei regelmäßig bedecken.

Die Methanseen auf dem Saturnmond Titan wurden mit der Raumsonde Cassini genau kartografiert.

Modernste Technologien, harte Bedingungen

Technologisch ist jede Mission äußerst anspruchsvoll: Raum- und Landesonden müssen auf Planetenoberflächen und in den Strahlungsgürteln ihrer Zielobjekte extremen Temperaturen und Drücken standhalten. Jede Mission in den tiefen Weltraum muss über Jahre oder Jahrzehnte in einer außerordentlich schwierigen Umgebung zuverlässig funktionieren. Darüber hinaus stellen die zum Teil extremen Distanzen, die Raumsonden auf dem Weg zu ihrem Ziel zurücklegen müssen, größte Herausforderungen dar. Die Missionsplanung, mehrjährige Transfers zum Zielobjekt, die Notwendigkeit hochpräziser Navigation, komplexe Bahn­manöver und die Nutzung des Gravitationsfeldes von Himmelskörpern zur Einsparung von Treibstoff haben maßgeblichen Einfluss auf das Design der Raumsonden. Signallaufzeiten von vielen Minuten (Mars) bis hin zu mehreren Stunden (Pluto) stellen hohe Anforderungen an Kommunikationssysteme und an die Autonomie der Satelliten, da eine Steuerung in Echtzeit von der Erde aus nicht mehr möglich ist. Auch die Datenübertragung erfordert aufgrund großer Distanzen und anwachsender Datenmengen neue Kommunikationstechnologien – etwa die Übertragung von Informationen mit Laserlicht. Bei Missionen zu den äußeren Planeten unseres Sonnensystems oder darüber hinaus wird aufgrund des immer schwächer werdenden Sonnenlichts zudem die Energieversorgungf zur Herausforderung, die die Entwicklung neuer Solarzellen oder alternativer, radionuklidbasierter Technologien erfordert. Die Königsdisziplin der Raumfahrt ist nach wie vor die Landung auf anderen Himmelskörpern. Auch heute sind längst nicht alle Landeversuche erfolgreich. Insbesondere die Landung auf Objekten mit Atmosphäre stellt die Sensorik, die Navigation, die Flugregelung, das Wärmeschutzsystem sowie Brems- und Landesysteme vor besondere Herausforderungen.

Noch schwieriger sind Missionen, bei denen sich Menschen an Bord befinden. Bei Langzeitmissionen muss die Besatzung über viele Monate vor schädlichen Umwelteinflüssen, etwa vor der Weltraumstrahlung, geschützt werden. Eine weitere Herausforderung ist die Versorgung der Besatzung. Während bei erdnahen Missionen Versorgungsflüge stattfinden können, ist dies bei Missionen in die Tiefen des Weltalls nicht mehr möglich. Hier sind geschlossene Lebenserhaltungs- und Versorgungssysteme erforderlich.

Für den uns am nächsten gelegenen Himmelskörper, den Mond, stehen zahlreiche Missionen in den Startlöchern, wie z. B. das Artemis-Programm (NASA) oder der Argonaut Lander (ESA), die sich darauf vorbereiten, Astronaut:innen schon 2026 auf die Mondoberfläche zurückzubringen, vor Ort Forschung zu betreiben und Proben zur Untersuchung in Labore auf der Erde zu bringen. Die Entwicklung wissenschaftlicher und infrastruktureller Ressourcen auf dem Mond soll dessen nachhaltige Erforschung gewährleisten. Die Marsoberfläche sollen die ersten Menschen voraussichtlich in den 2040er-Jahren betreten.

Die Erforschung der Planeten und Monde im äußeren Sonnensystem, bis hin zu Uranus und Neptun, sind ein zentraler Teil der Zukunftsstrategien von ESA und NASA. Dabei geht es nicht nur um die Planeten selbst, sondern auch um ihre Monde als mögliche Orte für Leben.

OHB System AG

Der Systemanbieter OHB System AG mit Standorten in Bremen und Oberpfaffenhofen gehört zum Hochtechnologiekonzern OHB SE, in dem über 3000 Mitarbeiter:innen an zentralen europäischen Raumfahrtprogrammen arbeiten. Dazu zählen kleine und mittelgroße Satelliten für Erdbeobachtung, Navigation, Telekommunikation, Wissenschaft und Exploration des Weltraums ebenso wie Systeme für die astronautische Raumfahrt. Das Unternehmen arbeitet unter anderem mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Bundesministerium der Verteidigung sowie mit weiteren öffentlichen und privaten Auftraggebern zusammen. Zu den von OHB umgesetzten wissenschaftlichen Missionen gehört auch PLATO (PLAnetary Transits and Oscillations of stars) der ESA. Das OHB-Zentrum für Optik und Wissenschaft in Oberpfaffenhofen integriert derzeit den ersten Satz von Kameras in die sogenannte optische Bank (Bild links). Auch die Mission LISA (Laser Interferometer Space Antenna) zum genauen Ausmessen niedrigfrequenter Gravitationswellen wird von OHB gebaut.

Die Vorstandsvorsitzende des Unternehmens ist Chiara Pedersoli. Nach Stationen beim DLR, EUMETSAT (Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten), der ESA und Airbus Defence and Space kam die Luft- und Raumfahrtingenieurin 2010 zu OHB. Dort arbeitete sie unter anderem am Design von Instrumenten für die dritte Generation des Wettersatellitenprogramms Meteosat und als Direktorin im Bereich Systems Engineering und Assembly, Integration & Test. Seit 2020 ist sie Vorstandsmitglied, 2024 wurde sie zur Vorstandsvorsitzenden ernannt.

Pia Bausch, Tra-Mi Ho, Rolf Janovsky, Claus Lämmerzahl, Heike Rauer und Marco Scharringhausen