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Unsere Erde

Planetare Magnetfelder: Orientierungshilfe und Schutz

Magnetfelder von Planeten drehen nicht nur die Kompassnadel, sondern sie eröffnen uns einen Blick in die Dynamik des Inneren der Erde und anderer Planeten. Neben der Atmosphäre bilden sie außerdem einen Teil des Schutzschilds gegen hochenergetische Teilchen aus dem Weltall.

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Auch wenn Navigation heute in der Regel satellitengestützt funktioniert, ist der Magnetkompass noch immer ein faszinierendes Instrument, das überall auf der Welt die Richtung weist. Das funktioniert, weil die Erde ein Magnetfeld besitzt, in dem sich die Nadel ausrichtet. Das würde längst nicht überall im Sonnensystem gelingen: Während die Planeten Merkur, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sowie der Jupitermond Ganymed Magnetfelder aufweisen, die den ganzen Himmelskörper umfassen, haben unser Erdmond, die Venus und der Mars keine solchen globalen Felder. Auch auf kleinen Kometen und Asteroiden würde man mit einem Kompass richtungslos bleiben.

Wie das Erdmagnetfeld und die Felder auf anderen Planeten entstehen, wissen wir erst seit etwa einhundert Jahren. Die Erklärung liefert die Dynamotheorie: In einem flüssigen, sich bewegenden und elektrisch leitfähigen Medium werden elektrische Ströme angeregt. Diese erzeugen magnetische Felder, die ein zunächst schwaches Feld verstärken können. Durch diesen Dynamoprozess wird die Bewegungsenergie der Ladungsträger in magnetische Energie umgewandelt.

Mit einer belastbaren Theorie zur Entstehung des Erdmagnetfelds kann man von dessen Beschaffenheit zurückschließen auf das uns verborgene Erdinnere: Die Existenz des Magnetfelds deutet darauf hin, dass im Erdinneren flüssige, elektrisch leitende Materie vorhanden ist. Tatsächlich belegen seismologische Untersuchungen, dass es im äußeren Erdkern metallische Schmelzen gibt. Diese gelten heute als das Medium, in dem der Erddynamoprozess abläuft. Angetrieben wird dieses Medium durch Temperaturunterschiede: Aufgrund des Bestrebens, solche Unterschiede auszugleichen, setzt sich das Material in Bewegung – man spricht von turbulenter Konvektion. Aufgrund der Erdrotation werden diese Konvektionsströme abgelenkt und auf schraubenförmige Bahnen gezwungen. Durch die Bewegung der leitfähigen Materie in einem schwachen Magnetfeld entstehen die zuvor genannten Induktionsströme, die das Magnetfeld verstärken. Da die Eisen-Nickel-Schmelze einen elektrischen Widerstand besitzt, wird ein Teil des Stroms – ganz wie in einem elektrischen Kabel – in Wärme umgewandelt. Der Leistungsbedarf dieser komplexen planetaren Maschine liegt bei etwa 500 Gigawatt, was etwa dem Achtfachen der Stromerzeugung in Deutschland entspricht. Die Energie erhält der Dynamo aus der Wärme des Erdinneren, das sich dadurch abkühlt, und aus der Kristallisationswärme des wachsenden festen Erdkerns.

Das Erdmagnetfeld ist zeitlich und räumlich veränderlich. Seine größte Komponente ist ein Dipol, den wir als magnetischen Nord- und Südpol kennen. Dieser Dipol ist gegenüber der Erdachse leicht geneigt. Deshalb liegen der geografische Nordpol und der magnetische Südpol (!) auch mehrere Hundert Kilometer auseinander. Die Lage der magnetischen Pole ändert sich allerdings mit der Zeit. Diese Polwanderungen sind ein deutlicher Hinweis auf zeitliche Schwankungen im Erddynamo. Gegenwärtig wird sogar eine Abnahme der Magnetfeldstärke an der Erdoberfläche beobachtet, was als Hinweis auf eine kommende Umpolung des Erdmagnetfelds gedeutet wird. Bei einer solchen Umpolung wechseln die erdmagnetischen Pole ihre Position: Der Nord- wird zum Südpol und umgekehrt. Im Laufe der Erdgeschichte ist das tatsächlich schon häufig vorgekommen, wie wir anhand gesteinsmagnetischer Untersuchungen nachweisen können.

So wie ein Ton in Anteile unterschiedlicher Frequenz spektral zerlegt werden kann, lässt sich auch die räumliche Anordnung eines Magnetfelds in unterschiedliche räumliche Frequenzen, Multipole, zerlegen. Die großräumigen Feldkomponenten sind Dipol und Quadrupol, die folgenden Multipole stehen für immer kleinere räumliche Anordnungen. Bei Planeten mit globalen Magnetfeldern dominieren daher Dipol- und Quadrupolaneteile, während bei Mond und Mars viele kleinräumige hohe Pole einen weit wichtigeren Anteil am Magnetfeld besitzen.

Umpolungen sind allerdings keine strikt regelmäßig wiederkehrenden Vorgänge. Eher sind sie Hinweise auf den turbulenten Charakter der Dynamoprozesse im äußeren Kern. Das Umklappen selbst dauert etwa fünf- bis zehntausend Jahre. Die letzte Umpolung fand vor 780 000 Jahren statt. Neueste Untersuchungen, die paläomagnetische Erkenntnisse und datenadaptive Methoden nutzen, lassen vermuten, dass eine Umkehr in den kommenden 5000 Jahren unwahrscheinlich ist.

Wie genau die Umpolung abläuft, ist nicht vollständig verstanden. Wir nehmen an, dass es in der Dynamoregion immer wieder kleinere Regionen gibt, die gerade umgekehrt zur dominierenden Hauptfeldrichtung gepolt sind. Solche Regionen tauchen auf und verschwinden wieder. Es kann aber auch vorkommen, dass sich diese Regionen zusammenschließen, große Teile des Dynamogebiets einnehmen und dann ein Übergang der ganzen Dynamoregion in den umgekehrten Zustand stattfindet. Vorhersagen lässt sich dieser Umkehrprozess nicht, er ist eher chaotisch.

Während einer Umkehr nimmt die Feldstärke an der Oberfläche ab. Dies bedeutet aber nicht, dass der ganze Dynamoprozess schwächer wird. Die Umwandlung von Bewegungsenergie in magnetische Energie erfolgt lediglich in kleineren Strukturen. Diese sind an der Oberfläche deutlich schwächer als der für gewöhnlich dominierende Dipolanteil.

Dass die Erde ein Magnetfeld hat, ist für uns ein Glücksfall: Unsere Sonne ist ein sehr aktiver Stern, und ständig strömen große Materialmengen von dort in den Weltraum. Dieser Sonnenwind besteht überwiegend aus Protonen und Elektronen und strömt mit Geschwindigkeiten von einigen Hundert Kilometern pro Sekunde. Für das Leben sind solche elektrisch geladenen hochenergetischen Teilchen problematisch, da sie die Zellen und das Erbgut zerstören können. Aufgrund des Magnetfelds der Erde bildet sich als Wechselwirkungsregion zwischen Sonnenwind und Magnetfeld die Magnetosphäre aus, in die der Sonnenwind nur bedingt eindringen kann. Die Magnetosphäre ist somit die erste Schutzregion unserer Erde gegen hochenergetische Teilchen von der Sonne. Der Erdmond, ein Körper ohne globales Magnetfeld und ohne Atmosphäre, wird ständig von diesem Sonnenwind bombardiert.

Die Magnetosphäre ist ein sehr dynamisches Gebilde, in das solares Material und Energie gelegentlich doch eindringen können: Magnetische Rekonnexion, eine Art Anti-Dynamoprozess, durch den magnetische Energie in Bewegungsenergie umgewandelt werden kann, spielt hierbei eine große Rolle. Diese Rekonnexion tritt sowohl am oberen Rand der Magnetosphäre als auch in deren Schweif auf.

Rasche Änderungen des äußeren Anteils des Erdmagnetfelds, Beschleunigung von Elektronen und Protonen auf hohe Geschwindigkeiten und der Einfall hochenergetischer Teilchen in die Atmosphäre sind letztlich Folge dieser Rekonnexionsprozesse. Man spricht dann auch von magnetischen Stürmen und Teilstürmen. Die Gesamtheit der dynamischen Phänomene in der Magnetosphäre und ihrer solaren Ursachen fasst man unter dem Begriff Weltraumwetter zusammen. Für die zunehmenden Präsenz des Menschen und technischer Einrichtungen im Weltall, Kommunikationssatelliten oder die Satelliten der globalen Navigationssysteme spielen ein besseres Verständnis des Weltraumwetters und dessen Vorhersage eine wichtige Rolle, denn die magnetosphärische Dynamik kann Mensch und Technik im erdnahen Orbit und an der Erdoberfläche sehr beeinträchtigen oder schädigen.

Auch für die Astrophysik ist der von Magnetfeldern durchsetzte erdnahe Raum von großem Interesse. Er ist gewissermaßen ein Plasmalabor vor der Haustür, in dem Prozesse untersucht werden können, die sonst in entfernten und exotischen Regionen des Universums auftreten. So beschleunigen magnetische Stoßwellen um Sternexplosionen Teilchen auf extrem hohe Energien – ein Prozess, der im Labormaßstab auf der Erde nicht nachgebaut werden kann, in der Magnetosphäre aber mindestens angenähert wird.

Magnetosphärische Plasmaumgebungen lassen sich auch bei den Planeten Merkur, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun nachweisen und studieren. Bei Merkurs Magnetosphäre ist besonders interessant, dass ihre innere Berandung die Planetenoberfläche selbst ist. Die Magnetosphären von Jupiter und Saturn sind durch die rasche Rotation der Planeten und interne Plasmaquellen wesentlich geprägt. Auch andere Teilchenquellen als die Sonne treten in Erscheinung: Aufgrund seiner starken vulkanischen Aktivität stößt beispielsweise der Mond Io mehrere Tonnen Material pro Sekunden in die Magnetosphäre des Jupiters aus.

Die Magnetosphären von Uranus und Neptun sind wenig erforscht, aber werfen weitere Fragen auf: Die Ausrichtung der Dipolmomente ihrer Magnetfelder weicht stark von der ihrer Rotationsachsen ab. Hier dürfte die Forschung in Zukunft noch vielfältige Erkenntnisse gewinnen, die auch dem Verständnis des Erdmagnetfelds zugutekommen.

Karl-Heinz Glaßmeier und Ulrich Hansen