WIRKUNG
Diagnose und Therapie

Kontrastreiche Einblicke

Basierend auf einem quantenphysikalischen Effekt hat die Magnetresonanztomografie die medizinische Bildgebung revolutioniert. Heute ist sie aus der modernen Diagnostik kaum wegzudenken. Durch zahlreiche Innovationen wird die Methode immer genauer und ihre Anwendungen immer breiter.

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Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist eine faszinierende Möglichkeit, dreidimensionale Darstellungen der Struktur und der chemischen Zusammensetzung lebender Organismen und insbesondere des Menschen zu erlangen. Da sie Radiowellen verwendet, kommt sie im Gegensatz zur Röntgentechnik und der Computertomografie ohne ionisierende Strahlung aus. Anders als optische Verfahren ermöglicht sie, hochaufgelöste Bilder auch vom Inneren des Körpers zu erzeugen. Sie lässt sich sowohl beim Menschen als auch an Tieren und sogar an Zellkulturen anwenden. All dies hat die MRT zu einem der wichtigsten Werkzeuge der biomedizinischen Grundlagenforschung wie auch der auf die Übertragbarkeit auf den Menschen ausgerichteten medizinischen Forschung gemacht.

Physikalische Grundprinzipien

Die MRT, auch Kernspintomografie genannt, beruht auf dem Phänomen der Kern-Magnetresonanz. Deren Grundlagen wurden bereits in den 1920er-Jahren beschrieben; Felix Bloch und Edward Purcell erhielten 1952 für ihre Arbeiten dazu den Nobelpreis für Physik. Bei diesem Phänomen absorbieren Atomkerne, wenn sie in ein Magnetfeld verbracht werden, Radiowellen einer bestimmten Frequenz und strahlen solche auch wieder ab. Voraussetzung ist, dass die Atomkerne einen Gesamtdrehimpuls um ihren Schwerpunkt, einen Kernspin, haben, der ungleich Null ist. Das führt dazu, dass die Kerne in einem äußeren starken Magnetfeld unterschiedliche Energiezustände einnehmen können (Kern-Zeeman-Effekt).

Besonders gut darstellbar in der MRT sind Wasserstoffkerne, da sie in biologischen Geweben in hohen Konzentrationen vorkommen. Die Kernspins von Wasserstoffatomen, sogenannte-Spin-½-Teilchen, richten sich, ähnlich wie Kompassnadeln, parallel und antiparallel zu den Magnetfeldlinien aus, wobei die parallele Ausrichtung energetisch günstiger ist. Dies führt zu einer Nettomagnetisierung des Gewebes in Richtung des Magnetfeldes (z-Richtung). Wird nun Energie in Form von Radiowellen einer bestimmten Frequenz, der sogenannten Larmorfrequenz, eingestrahlt, wird die Nettomagnetisierung ausgelenkt und die Atomkerne beginnen um die Richtung des statischen Magnetfelds zu kreiseln. Dieser Vorgang induziert in speziell dafür entwickelten Empfangsspulen eine Spannung. Werden die Radiowellen abgeschaltet, kehren die Kerne in ihren Ausgangszustand zurück, wobei sie Energie abstrahlen. Diese Relaxation wird mit den Zeitkonstanten T1 (longitudinale Relaxation, Wiederherstellung der Nettomagnetisierung in z-Richtung) und T2 (transversale Relaxation, Verlust der Phasenkohärenz) beschrieben. Je nach Art des biologischen Gewebes unterscheiden sich die T1- und T2-Relaxationszeiten sowie die Dichte der Wasserstoffkerne. Durch gezielte Wahl der Messparameter können diese Eigenschaften unterschiedlich gewichtet werden, wodurch sich kontrastreiche Bilder anatomischer Strukturen oder krankhafter Veränderungen im Körper erzeugen lassen.

Hochauflösende Kniebildgebung durch Kombination der Aufnahmen eines 7-Tesla-MRT mit Deep-Learning-Rekonstruktionsalgorithmen.

Zu immer höheren magnetischen Feldstärken

Die Stärke der Nettomagnetisierung und damit die theoretische Signalqualität des MR-Signals hängen linear von der Stärke des äußeren Magnetfelds ab. Als sogenannte Hochfeld-MRT standen ab den frühen 2000er-Jahren erstmals kommerziell erhältliche 3-Tesla-(T)-MRT-Systeme für die Anwendung am Menschen zur Verfügung. Diese Magnetfeldstärke entspricht ungefähr dem 60 000-fachen des Erdmagnetfeldes! In der tierexperimentellen Forschung sind inzwischen 7- und 9,4-T-Systeme nahezu Standard und erste 18-T-Geräte beeindrucken mit räumlich ultra-hochaufgelösten Bildern. Auch in der humanmedizinischen Forschung sind inzwischen 7-T-Geräte für die Diagnostik am Menschen zugelassen, und der erste 14-T-MR Scanner für Menschen ist in Planung (DYNAMIC, Radboud University, Nijmegen). Mit solchen Geräten lassen sich z. B. im Kleinhirn des Menschen Strukturen von 400 µm Größe dreidimensional abbilden. Neben dem Anstieg im MR-Signal profitieren einige MRT-Methoden zusätzlich von hohen Magnetfeldstärken – etwa die Magnetresonanzspektroskopie durch eine höhere spektrale Auflösung. Auch spezielle funktionelle Bildgebungsvarianten, die den Blutsauerstoffgehalt oder die Magnetisierbarkeit ausnutzen, profitieren von hohen magnetischen Feldstärken. Hohe Magnetfelder haben aber auch Nachteile: Sie erfordern höherfrequente Radiowellen, was zum einen deren Eindringtiefe mindert und zum anderen zu einer stärkeren Erwärmung des Gewebes führen kann. Die auf Supraleitung beruhenden Geräte stellen zudem spezielle Anforderungen an die Hardware verbunden mit hohen Anschaffungs- und Betriebskosten, was ihre breitere Anwendung auf reiche Industrieländer beschränkt.

Die Renaissance der Niedrigfeld-MRT

Das Bestreben, die MRT auch in Bereichen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten zugänglich zu machen, hat die Niedrigfeld- (< 1 T) und die Ultra-Niedrigfeld-MRT (< 0,5 T) in den vergangenen Jahren wieder mehr in den Fokus der Forschung gerückt. Ihren Erfolg verdankt sie auch zahlreichen beeindruckenden Entwicklungen, die jenseits höherer Feldstärken die räumliche und zeitliche Auflösung verbessern. Dazu gehören auch die für die Ortskodierung so wichtigen Gradientensysteme. Die Kodierung der Ortsinformation erfolgt in der MRT mit zusätzlich geschalteten Magnetfeldgradienten, also Variationen in der Magnetfeldstärke, wodurch das auf die Kerne wirkende Magnetfeld und damit ihre Larmorfrequenz ortsabhängig werden. Dabei lassen sich die Stärke und Richtung während des MRT-Experiments ändern. Je steiler der Gradient der Feldstärke im Raum, desto größer ist die mögliche räumliche Auflösung, und je schneller das Magnetfeld in seiner Stärke verändert werden kann, desto schneller gelingt die Aufnahme der notwendigen Datenpunkte und desto höher ist die zeitliche Auflösung der MRT.

Zahlreiche Innovationen

Ein weiterer Sprung in der Entwicklung der MRT war die Einführung der parallelen Bildgebung. Das Prinzip beruht darauf, dass mehrere Empfangsspulen entlang des Untersuchungsobjekts gleichzeitig das MRT-Signal erfassen. Auch innovative Bildrekonstruktionsverfahren wie das „Compressed Sensing“ haben die MRT beschleunigt. So werden z. B. Auf­nahmen vom schlagenden Herzen in Echtzeit möglich.

Eine große Stärke der MRT ist ihre enorme Vielzahl von Kontrastmechanismen, die neben der groben anatomischen Darstellung auch wertvolle Informationen zum Beispiel über die Gewebemikrostruktur, die Funktion von Organen oder deren Stoffwechsel liefern. Ein Beispiel ist die auf dem Sauerstoffgehalt des Bluts basierende funktionelle Bildgebung (fMRT), die die Darstellung der Gehirnaktivität in Echtzeit ermöglicht, und die neurowissenschaftliche Forschung sowie die Diagnose und Behandlung von Hirnerkrankungen revolutioniert hat. Die Diffusions-Bildgebung nutzt dagegen die Brownsche Molekularbewegung der Wassermoleküle, um beispielsweise Krebserkrankungen besser zu charakterisieren und Gewebeschäden frühzeitig zu erkennen, etwa in der Diagnostik von akuten Unterbrechungen in der Blutversorgung des Gehirns. Die Technik erlaubt zudem die nichtinvasive Darstellung von Nervenfaserverläufen, was sowohl für die neurowissenschaftliche Forschung als auch bei der Planung von neurochirurgischen Eingriffen von immenser Bedeutung ist. Durch MRT-Perfusionsbildgebung lässt sich die Durchblutung in verschiedenen Organen messen. Sie spielt z. B. eine wichtige Rolle bei der Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und Tumoren. Generell geht die Entwicklung hin zur Kombination mehrerer Kontraste (auch kombiniert mit grundsätzlich anderen Techniken wie z. B. beim PET-MRT Sei-te 221), um eine möglichst umfassende und genaue Charakterisierung des Gewebes zu ermöglichen. Außerdem wird untersucht, welchen Nutzen die Verwendung anderer Atomkerne außer Wasserstoff bietet und wie das Signal beispielsweise durch Hyperpolarisation verstärkt werden kann. Die Integration von künstlicher Intelligenz und speziell auch von maschinellem Lernen hat bereits jetzt zu beachtlichen Erfolgen geführt, und dies markiert erst den Anfang einer vielversprechenden Entwicklung.

Traktografie des menschlichen Gehirns. Mit dieser Technik können die Verläufe von Nervenfasern nachgezeichnet werden, ganz ohne chirurgischen Eingriff. So lassen sich sowohl grundlegende Fragestellungen zur Funktionsweise des Gehirns erforschen als auch Operationen planen.

Susann Boretius